Deutschland: Ein kleines bisschen Alltag kehrt zurück

Deutschland: Ein kleines bisschen Alltag kehrt zurück
Erste Schüler schreiben Abi-Prüfungen, bestimmte Geschäfte öffnen wieder – doch Kanzlerin Angela Merkel warnt.

650 Liter Desinfektionsmittel lässt der Berliner Senat von Montag an in die Schulen der deutschen Hauptstadt liefern. Denn seit gestern gilt dort: Hände desinfizieren und auf dem Weg in die Prüfungsräume sowie dort einen Abstand von 1,50 Meter einhalten. Nach fast fünf Wochen sind zirka 14.600 Berliner Abiturienten am Montag in ihre Schulen zurückgekehrt, um Prüfungen zu schreiben.

Nicht nur in Berlin, auch in Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Brandenburg sitzen die Abschlussjahrgänge in den Klassen. In anderen Ländern ist das bereits passiert (Hessen hielt Abi-Prüfungen im März unter strengen Auflagen ab) oder wird in den nächsten Tagen geschehen; mancherorts auch erst im Mai.

Ähnlich wie in Schulen gibt es auch in anderen Bereichen seit gestern Lockerungsmaßnahmen: Nicht in jedem Bundesland gilt das Gleiche. Dass länderspezifische Lösungen möglich sein müssen, darüber ist sich die Politik durchaus einig. Aber Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte vorab eine Warnung für die Länderchefs parat: "Wir dürfen nicht durcheinanderlaufen wie ein Hühnerhaufen und uns gegenseitig abwechselnd mit Verschärfungen und Lockerungen überbieten", mahnte er via Bild am Sonntag.

Seit Montag sind Kfz-, Fahrradhändler und Buchhandlungen offen sowie andere Geschäfte, die nicht mehr als 800 Quadratmeter haben. In Schleswig-Holstein, Brandenburg und Niedersachsen dürfen zudem Geschäfte aufsperren, die in Einkaufszentren liegen. Die nordrhein-westfälische Regierung will zusätzlich Möbelhäuser und Babyfachmärkte öffnen lassen. Unternehmerverbände fordern eine "diskriminierungsfreie Regelung" dafür, unabhängig von Betriebsgröße.

"Öffnungsdiskussionsorgien"

Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte am Montag davor, dass aus den ersten Lockerungen zu früh gehandelt wird. "Wir dürfen keine Sekunde aus den Augen verlieren, dass wir trotz allem am Anfang der Epidemie stehen - und noch lange nicht über den Berg sind", erklärte sie. Keiner wisse, wie sich die Lockerungen auf die Infektionszahlen auswirken, das werde man erst in 14 Tagen sehen.

Stunden zuvor wurde bekannt, dass sie sich in einer Telefonschaltung mit dem CDU-Präsidium über das Vorgehen in manchen Bundesländern geärgert hätte. Sie sei unzufrieden, dass die Botschaft vorsichtiger Lockerungen in einigen Ländern zu "Öffnungsdiskussionsorgien" geführt habe, heißt es. Und: Sie hätte Sorgen, dass sich die gute Entwicklung bei den Corona-Infektionen wieder umkehre, weil sich zu wenige an die Kontaktbeschränkungen halten würden – in den meisten Bundesländern darf man maximal eine Person außerhalb des Haushalts treffen. Dies gilt laut Bund bis zum 3. Mai.

"Shutdown" unvermeidlich

Gefragt nach ihrer Wortwahl begündete Merkel diese mit ihrer Sorge. Und: Sie habe nichts gegen eine gesellschaftliche Diskussion (dies wurde ihr von der Opposition vorgeworfen), aber sie fühle sich auch verpflichtet, ihre Haltung einzubringen.

Sollten die Infektionszahlen jedenfalls erneut exponentiell steigen, müssten wieder härtere Maßnahmen eingeführt werden. Dann wäre ein neuer "Shutdown" unvermeidlich, erklärte die Kanzlerin. "Die Verhinderung eines Rückschritts ist nicht nur im Interesse der Bekämpfung der Pandemie, sondern auch im Interesse der Wirtschaft und zur Rückkehr zu unserem normalen gesellschaftlichen Leben."

Maskenpflicht? Nicht überall

Zu einer allgemeinen Maskenpflicht äußerte sie sich zurückhaltend: "Wir müssen sicherstellen, dass wir für jeden Bürger, dem wir das auferlegen, mindestens eine Maske zur Verfügung stellen." Zudem seien sicherlich nicht allerorts Masken notwendig, so Merkel. Im öffentlichen Nahverkehr gebe es aber beispielsweise gute Gründe, Masken zu tragen.

Städte wie Jena oder Wolfsburg haben daher die Maskenpflicht bereits seit längerer Zeit eingeführt. Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen ziehen nach – mit einer Mundschutzpflicht beim Einkaufen und Fahren mit Öffis. Bayern Ministerpräsident Markus Söder CSU), der kürzlich noch dagegen war, verpflichtet seine Leute auch zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, wenn sie den Nahverkehr benutzen und einkaufen. Gleichzeitig kündigte er an, dass in den nächsten drei Monaten keine Kindergarten- oder Kita-Gebühren zu zahlen sind. Für freischaffende Künstler soll es monatlich 1.000 Euro geben. Die Kulturbranche wird länger warten müssen, bis 31. August sind alle Großveranstaltungen wie Festivals, Konzerte und Theateraufführungen abgesagt.

Über Gottesdienste wird noch diskutiert. In Sachsen will man sie unter bestimmten Auflagen mit maximal 15 Teilnehmern erlauben. Für Schwimmbäder, Spielplätze, Fitness-, Kosmetik- und Tattoostudios, Massagepraxen sowie Bars und Restaurants sind noch keine Lockerungen in Aussicht.

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