Der Kampf ums Kreuz: Biden und Trump im Krieg um den Glauben

Der Kampf ums Kreuz: Biden und Trump im Krieg um den Glauben
Bei den Katholiken, aber vor allem bei den Evangelikalen, könnte sich die US-Wahl entscheiden.

Joe Biden tat es, während er 2011 im Lageraum des Weißen Hauses die geheime Kommandoaktion gegen Osama bin Laden verfolgte. Oder beim Besuch der "Mother Emanuel"-Kirche in Charleston im Bundesstaat South Carolina, wo ein junger Rassist neun schwarze Gemeindemitglieder ermordet hatte. "Er hat immer einen Rosenkranz dabei", verrät Barack Obamas Ex-Stabschef im Weißen Haus, Denis McDonough.

"Das Versprechen Jesu spendet ihm Trost", sagt auch die Ordensfrau Simone Campbell, die Biden aus der Zusammenarbeit bei der US-Gesundheitsreform gut kennt, über die Gewohnheit des vormaligen Vizepräsidenten und nunmehrigen demokratischen Präsidentschaftskandidaten, in schwierigen Situationen ein stilles Gebet zu sprechen.

Seit dem Tod seines Sohnes Beau, der mit 46 Jahren 2015 einem Gehirntumor erlag, trägt der Katholik Biden stets dessen Gebetskette bei sich. Den Rosenkranz lernte der in einer irischen Arbeiterfamilie in Scranton im Industriestaat Pennsylvania zur Welt gekommene "Joey" bei den Schwestern des Heiligen St. Josef. Es half ihm, der gerade als jüngster Senator der US-Geschichte in den Kongress gewählt worden war, durch die düstere Zeit im Winter 1972/73, nachdem seine erste Frau Neilia und ihre einjährige Tochter Naomi bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren.
 

Geprägt wurde der heute 77-jährige Biden durch zwei "Johns": den ersten katholischen US-Präsidenten John F. Kennedy (1961-1963), an dem er sich politisch orientierte, und Papst Johannes XXIII. (1958-1963), dessen Einsatz für soziale Gerechtigkeit ihn prägte. Damals hätten die Katholiken in der US-amerikanischen Politik "ihren Platz gefunden", so der Kolumnist E. J. Dionne.

Mit seiner Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Demokraten hat der regelmäßige Kirchgänger Biden aktuell gute Aussichten, als zweiter Katholik als Präsident ins Weiße Haus einzuziehen. Amtsinhaber Donald Trump spielt derzeit die Glaubenskarte mit umgekehrten Vorzeichen. Biden sei kein gläubiger Mensch, sagte Trump Anfang August in Cleveland/Ohio: "Er ist gegen Gott. Er ist gegen Gewehre." Biden wolle "eine Welt ohne Religion schaffen", und Gott würde die Wahl Bidens ins Weiße Haus "weh tun".

Abtreibungsposition als Problem

Frank Pavone von der Lobbygruppe "Priester für das Leben" und Trumps Gruppierung "Catholic Vote" verweisen auf Bidens abtreibungsfreundliche politische Haltung. Tatsächlich verteidigt der demokratische Kandidat politisch die Selbstbestimmung von Frauen - auch wenn er Schwangerschaftsabbrüche persönlich ablehne, wie es heißt. Diese Haltung sehen auch Sympathisanten wie John Carr von der Georgetown University oder Stephen Schneck vom Franziskanischen Aktionsnetzwerk als problematisch an; aber nicht als ein Ausschlusskriterium. Sie führen Bidens bodenständige Religiosität ins Feld.

George W. Bushs ehemaliger Redenschreiber Michael Gerson bescheinigt Biden religiöse Ernsthaftigkeit: "Ihn interessiert wirklich, was die Kirchenführer denken", so Gerson. Und Michael Wear, der unter Barack Obama im Weißen Haus für Religionsfragen zuständig war: "Er hört, was die Bischöfe zu sagen haben, selbst wenn er mit ihnen mal nicht übereinstimmt."

Im Rennen ums Weiße Haus betont Biden seine Nähe zu Papst Franziskus, der ihn nach dem Tod seines Sohnes Beau zum Abschluss seines sechstägigen USA-Besuchs 2015 privat empfing. In seinen Reden zitiert er immer wieder den Papst, mit dessen Positionen zur Einwanderungsreform, zu Solidarität mit den Armen oder beim Klimawandel Biden weitgehend übereinstimme.

Der Historiker Timothy Naftali von der New York University meint, Biden spreche so selbstverständlich über seinen Glauben wie kein anderer Demokrat. Damit punkte er bei den weißen Katholiken - die 2016 Trump mehrheitlich hinter sich scharte. "Wer Gläubige erreichen will, muss echt sein", so Naftali. Das hilft Biden offenbar auch, in Trumps evangelikale Kernwählerschaft vorzudringen. "Wenn er mindestens 23 Prozent im evangelikalen Lager holt", so der Demokrat Wear, "gewinnt er diese Wahlen".

Mitten in Corona-Pandemie und Wirtschaftskrise will Biden Hoffnung vermitteln. Seinem sterbenden Sohn Beau hatte er versprochen, sich nicht zurückzuziehen und sich weiter zu engagieren. Im Wahlkampf sagt er: "Es hat lange gedauert, bis ich auf den Punkt kam und erkannte, dass dieses Ziel das ist, was mich retten würde. Und das hat es."

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