Noch diese Woche soll Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit über eine Unklarheit im Wahlgesetz entscheiden: Darf ein Premier unter Anklage weiter im Amt bleiben? Das Gesetz erwähnt nur Minister. „Ein angeklagter Premier war dem Gesetzgeber eben unvorstellbar“, erinnert sich einer der Abgeordneten, die das Gesetz vor 15 Jahren formulierten. Wie es aussieht, wird der GStA einen Rücktritt bis zu einem Urteil nicht als zwingend sehen. Sein Beschluss wird dann vor dem Obersten Gericht angefochten. Bis dahin dürften einige Monate vergehen.
In denen Netanyahu keine Ruhe haben wird. Die Statuten seiner Likud-Partei schreiben vor Neuwahlen parteiinterne Urwahlen vor - wenn ein Herausforderer gegen den amtierenden Premier antritt. Mit
Gidon Sa´ar gibt es ihn bereits, trotz aller Vorwürfe des „Parteiverrats“ vom Fußvolk der Partei. Sa´ar war noch 2015 die Nummer Eins auf der Likud-Liste. Als Nachwuchsstar so beliebt, dass Netanjahu die junge Konkurrenz umgehend kalt stellte.
Fänden die Urwahlen in den noch verbliebenen zwei Wochen der gesetzlichen Frist zur Regierungsbildung statt, hätte Sa´ar eine Chance. „Hätte der
Likud mit ihm an der Spitze doch sofort eine stabile Koalition gleich mit mehr als einer Oppositionspartei, die Netanyahu ablehnen“, so der Wahlexperte Hanan Crystal. Auch eine Rückkehr in den Likud mehrerer angesehener Politiker wäre denkbar, die alle wegen Netanjahu zu anderen Parteien überliefen.
Doch werden die Urwahlen vom Likud-Vorstand kaum vor Ablauf der Frist angesetzt. Im dann bereits anlaufenden
Wahlkampf Nummer Drei wird der Likud nicht gegen Netanjahu rebellieren. „Der Likud hat noch niemals einen Vorsitzenden abgewählt“, erinnerte am Montag ein Likud-Sprecher. Eher wäre da ein Rückzieher Sa´ars vorstellbar.
Für Israel wie Netanyahu wäre das ein Aufbruch ins Unbekannte. Ein Halbtagspremier: „Morgens als Angeklagter vor den Richtern, nachmittags im Amt“ höhnt die Opposition. Und zudem noch Wahlkampf. Netanjahu gegen alle und alles. Bei Wählern, die nicht blind Likud wählen, gab es schon in den letzten beiden
Wahlen einen deutlichen Abwärtstrend für den Premier. Was auch Netanyahu weiß. Die Zeitung Haaretz sorgte sich am Montag: „Will er wirklich noch das Steuer zu seinen Gunsten umwerfen, braucht er eine echte Gefahr von Außen.“
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