Israel: Chaos ohne Ende – und eine dritte Wahl?

Während politisch keine Lösung zustande kommt, leiden Krankenhäuser und Schulen.

Nach Premier Benjamin „BibiNetanjahu schaffte es auch sein Herausforderer Benjamin Gantz nicht, in Israel eine neue Regierung auf die Beine zu stellen. In der Nacht zum Donnerstag lief sein Mandat aus.

Nach zwei ergebnislosen Neuwahlen und langwierigen Kommunalwahlen steckt Israel seit 15 Monaten in einem den Alltag lähmenden Übergang ohne Ende. Vor allem der fehlende neue Haushalt stellt die Ministerien auch in den laufenden Geschäften vor wachsende Probleme: Krankenhäuser, Schulen und Sozialleistungen stecken tief im finanziellen Desaster.

Auch ein neuer Polizeichef darf nicht ernannt werden. „Chaos und kein Ende“, so ein Radio-Kommentator. Kommt noch hinzu: Mit der fälligen Entscheidung zur Anklage wegen Betrugs, Veruntreuung und Korruption gegen den amtierenden Übergangspremier Netanjahu wurde bereits am Donnerstag „oder wenige Tage später“ gerechnet.

„Finstere Zeit“

„Eine finstere Zeit in den Annalen Israels“, meinte Staatspräsident Reuven Rivlin, als er am Donnerstag das neue Mandat zur Regierungsbildung dem Parlamentsvorsitzenden Yuli Edelstein übertrug. Nicht nur wegen des statistischen Patts, sondern auch wegen einer unverblümt rassistischen Rede Netanjahus gegen die Arabische Liste zwei Tage zuvor. Fremdschämend entschuldigte sich danach Rivlin bei den arabischen Bürgern.

Jetzt bleiben noch 20 Tage, in denen die neu gewählten Parlamentarier sich untereinander auf einen Regierungschef ihrer Wahl einigen könnten. Größer sind die Aussichten auf einen dritten Wahlgang. Aber nicht unbedingt wieder mit allen Parteien. Ein niemals zuvor angewendeter Paragraf ermöglicht die Beschränkung auf eine Direktwahl des neuen Premiers. Für frisch gewählte Parlamentarier eine attraktive Alternative, behalten sie dabei doch ihre Sitze.

Nicht so die Kandidaten Gantz und Netanjahu: Wem das Scheitern der bisherigen Verhandlungen zur Last gelegt wird, hat die schlechteren Chancen. Netanjahus Likud-Partei verpasst daher keine Gelegenheit, Gantz die Schuld zuzuschieben. Was die Wähler anders sehen: In Umfragen sieht eine Mehrheit von 65 Prozent die Schuld bei Netanjahu.

War Netanjahu doch nicht bereit, eine Große Koalition mit der Blau-Weiß-Partei von Gantz zu bilden.

Interessant die Reaktion von „Königsmacher“ Avigdor Lieberman: „Beide Seiten sind gleichermaßen schuld“, ignorierte er die Umfragen. Im Wahlkampf hatte der Strammrechte durch das klare Versprechen „Keine Regierung mit Bibi!“ viele Mitte-Wähler gewonnen. Eine klare Schuldzuweisung könnte ihn jetzt aber in eine – für ihn unmögliche – Minderheitsregierung ziehen. Wäre die doch passiv von der Arabischen Liste abhängig. In Neuwahlen kann der „Nichtmacher“ so aber nur verlieren. Netanjahus Versuche, ihn in den nächsten Wochen zur Rückkehr nach rechts zu bewegen, sind somit nicht ganz aussichtslos.N. Jessen, Tel Aviv

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