Der geistliche Miliz-Führer und US-Feind als starker Mann im Irak
März 2003. Nach fadenscheinigen Beweisen, dass der Irak unter Diktator Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen habe, marschieren die USA im Zweistromland ein - und überrollen in einem Blitzkrieg die Regierungstruppen. Doch auch die Miliz des charismatischen schiitischen Klerikers Muktada al-Sadr stellt sich den Invasoren mutig entgegen. Der Prediger gewinnt Ansehen in der Bevölkerung, die die amerikanische Militäropertation verabscheut.
Al-Sadr gibt sich lange kompromisslos, ruft aus seinen finsteren Verstecken zum Widerstand gegen die "Ungläubigen" auf. Das Bagdader Viertel, das nach seiner Familie benannt ist, ist für die GIs eine No-go-Zone. Hier herrschen die rigorosen Islam-Regeln des jüngsten Sohnes des 1999 ermorderten Großajatollahs Sadiq as-Sadr. Nach dem Sturz Saddams, der mit seinem sunnitischen System die Schiiten drangsalierte, sehen nun Letztere ihre Zeit gekommen. Die konfessionelle Gewalt eskaliert und geht einher mit dem Aufstieg der sunnitischen Terrormiliz "Islamischer Staat" in den Zehnerjahren des 21. Jahrhunderts.
In der Mitte der Dekade, analysiert der Leiter des Büros der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Amman, Tim Petschulat, gegenüber der "Deutschen Welle", habe sich bei Muktada al-Sadr ein Sinneswandel eingestellt. Er habe sich gegen die konfessionelle Logik gestellt und sich bereits bei der Wahl 2018 mit den säkularen Kräften, wie den Kommunisten oder Sozialdemokraten, verbündet. Diese hatten weniger Korruption und mehr Brot und Freiheit gefordert - die Losung kam an, das Bündnis wurde zur stärksten Kraft. Und konnte diesen Erfolg bei dem Urnengang vergangenen Sonntag wiederholen.
Die Regierungsbildung wird jedenfalls eine schwierige und wohl lange. Dass der 47-Jährige eine entscheidende Rolle spielen wird - auch wenn er selbst wohl nicht in die erste Reihe vortreten wird -, liegt im Wahlergebnis selbst.
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