Der amerikanische Wahnsinn: Wie US-Bürger das Virus ignorieren

Ocean City, Maryland, mitten in der Coronavirus-Pandemie.
Teile Amerikas wollen die Corona-Gefahr nicht wahrhaben oder nehmen sie in Kauf. Videos zeigen ein Land in fragwürdiger Feierstimmung.

Am vergangenen Wochenende war an vielen Orten alles wie immer an einem amerikanischen "Memorial Day Weekend" - und genau das war das Problem. Viele Amerikaner lagen am Strand, bevölkerten die Küstenpromenaden, versammelten sich auf Booten oder, wie im Bundesstaat Missouri, sogar zu einer ausgelassenen Pool-Party. Zahlreiche Videos dokumentieren das sorglose Treiben.

Zur Erinnerung: Die USA leiden wie kein anderer Staat unter den Folgen des Coronavirus, bis Donnerstag hat das Land laut Johns-Hopkins-University 1,7 Millionen bekannte Infektionen, 100.000 Tote und rund 1,2 Millionen aktuell Erkrankte zu beklagen.

Und doch: Die Strandpromenade der Kleinstadt Ocean City im Bundesstaat Maryland präsentierte sich am vergangenen Samstag mehr als gut besucht. Die meisten Besucher trugen dabei keine Maske, schrieb die Nachrichtenagentur Reuters.

Wie sind die Vorschriften in Maryland? Gouverneur Larry Hogan hat die Maßnahmen am 13. Mai gelockert, wie es auch Amtskollegen in anderen Bundestaaten taten. Der Republikaner hofft damit auf eine Erholung der Wirtschaft. Es wird älteren und an Vorerkrankungen leidenden Menschen zwar geraten, weitestmöglich zuhause zu bleiben, Angestellte sollen wenn möglich daheim arbeiten, und in Amtsgebäuden, Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln sollen Masken getragen werden. Dies ist in Maryland aber eine Empfehlung, keine Vorschrift.

Die Zahlen im Bundesstaat: 6 Millionen Einwohner, 48.423 bisher bekannte Fälle (+736 seit 24h), 2.270 Tote.*

Alle 50 US-Bundesstaaten haben ihre Anti-Corona-Maßnahmen in unterschiedlichem Ausmaß zurückgenommen. In Staaten wie Illinois und New York haben Restaurants und Frisöre bis heute geschlossen, in vielen südlichen Staaten haben hingegen praktisch alle Geschäfte wieder offen. Obwohl die Entwicklung in den Vereinigten Staaten keineswegs überall positiv ist. Erst vergangene Woche haben elf Bundesstaaten eine Rekordzahl an neuen Corona-Erkrankungen gemeldet: Alabama, Arkansas, Minnesota, North Dakota, New Hampshire, Maine, Nevada, Utah, Virginia und Wisconsin. Und eben auch Maryland, wo sich in Ocean City die Ausflügler drängten.

Dass sich die Menschenansammlungen am vergangenen Wochenende häuften, liegt daran, dass das "Memorial Day Weekend" für die Amerikaner in gewöhnlichen Zeiten den Beginn der Sommersaison markiert. Am letzten Montag im Mai wird der im Krieg gefallenen Amerikaner gedacht, die Friedhöfe werden mit US-Flaggen bestückt und Gedenkveranstaltungen abgehalten. Am Wochenende davor begrüßen die US-Bürger den Sommer traditionell mit einem Besuch in einem Schwimmbad, einer Gartenparty oder einem Picknick.

Aus europäischer Perspektive Merkwürdiges spielte sich am Wochenende auch in der Stadt Daytona Beach in Florida ab. Ein Polizei-Hubschrauber filmte, wie ein Mann vom Dach eines Autos aus Geldscheine unter einer Menschenmenge verteilt. US-Medien schrieben von Szenen "wie in einem Tollhaus".

Auch Florida hat seine Anti-Covid19-Maßnahmen ab 4. Mai und nochmals ab 11. Mai schrittweise gelockert, um zu einem normalen Wirtschaftsleben zurückzukehren. Restaurants dürfen Outdoor-Tische anbieten, Frisöre seit 11. Mai unter strengen Vorschriften öffnen. Bars, Diskotheken und Kinos sind noch geschlossen. Den Bürgern werden Schutzmasken und "Social Distancing" im öffentlichen Raum empfohlen, ein Mund-Nasen-Schutz ist aber nicht gesetzlich vorgeschrieben.

Die Zahlen im Bundesstaat: 21 Millionen Einwohner, 52.634 bisher bekannte Fälle (+491 seit 24h, Stand 25.5.), 2.319 Tote.

Und auch in der Küstenstadt Myrtle Beach im Bundesstaat South Carolina ging man es anlässlich des Memorial Day lockerer an, wie ein Video zeigt.

Schlimmer noch: Laut Business Insider schwärmten in South Carolina am Wochenende hunderte Schaulustige zu einer "MAGA Boat Parade" ("Make America Great Again", Anmerkung) zu Ehren von Präsident Donald Trump, viele davon ohne Schutzmasken.

Der amerikanische Wahnsinn: Wie US-Bürger das Virus ignorieren

Eine patriotische Bootsparade in Charleston, South Carolina, am Sonntag samt Unterstützungsbekundungen für den republikanischen Präsidenten Donald Trump.

South Carolina gehört jedenfalls zu den Bundesstaaten, die ihre Einschränkungen am weitesten gelockert haben: Unter bestimmten Voraussetzungen können Restaurants öffnen, der Einzelhandel machte schon ab Mitte April schrittweise seine Pforten auf. Aber: Die jüngsten Lockerungen wurden durchgezogen, obwohl die Infektionszahlen in South Carolina weiter nach oben gehen. Im Vier-Tages-Schnitt (23. bis 26. Mai) gab es im Bundesstaat täglich 193 neue Fälle.

Die Zahlen im Bundesstaat: 5 Millionen Einwohner, 10.523 bisher bekannte Fälle (+207 seit 24h), 466 Tote.

Reuters weist allerdings darauf hin, dass die amerikanische Bevölkerung die Warnungen, Abstand zu Mitbürgern zu wahren, großteils ernst nehme, allerdings mit "bemerkenswerten Ausnahmen".

Für Empörung hatte am Wochenende auch das Video einer wilden Pool-Party am Lake of the Ozarks im Bundesstaat Missouri gesorgt. Dort wurden die Social-Distance-Empfehlungen sozusagen im Chlorwasser versenkt.

Die Zahlen im Bundesstaat: 6 Millionen Einwohner, 12.492 bisher bekannte Fälle (+162 seit 24h, Stand 24.5.), 696 Tote.

In einer Reaktion auf die breite Kritik in der Presse und den sozialen Medien zeigte der Besitzer der Pool-Bar, Gary Prewitt, jedenfalls keine Einsicht. "Es wurden keine Gesetze gebrochen, Social Distancing ist kein Verbrechen." Wer die Geschäfte, Bars und Restaurants am See an diesem Wochenende besuchte, habe "eine bewusste Entscheidung" getroffen. Schon der Sheriff des County habe schließlich klargemacht, dass die Gegend vom Tourismus lebe.

Der amerikanische Wahnsinn: Wie US-Bürger das Virus ignorieren

Gary Prewitt schreibt auf Facebook, er wolle genauso weitermachen, schließlich lebe er von der Sommersaison.

*Offizielle Daten der Gesundheitsbehörden der Staaten Maryland, Florida, South Carolina und Missouri.

Kommentare