Das Ziel: Élysée-Palast – und Le Pen verhindern

Favorit Alain Juppé (re.) neben Konkurrent Nicolas Sarkozy
Alain Juppé, Nicolas Sarkozy und Francois Fillon wollen 2017 Präsident werden: Vorwahlen bei der bürgerlichen Mitte.

Innerbürgerliche Vorwahlen in zwei Durchgängen, am morgigen und dem darauffolgenden Sonntag, entscheiden darüber, wer für Frankreichs Mitte-rechts-Parteien bei den Präsidentenwahlen im April 2017 antreten wird. Bis vor Kurzem galt die Annahme, dass der Sieger auch gleich der künftige Staatschef sein würde: Derzeit hätte kein Linkskandidat eine Chance, in die Stichwahl zu gelangen. Es käme also zu einem Duell zwischen dem bürgerlichen Kandidaten und der Rechtspopulistin Marine Le Pen, die unterliegen würde, so die Meinung bisher.

Aber seit den US-Wahlen kann man derartigen Prognosen nicht mehr vertrauen. Dazu kommt, dass die Favoriten der bürgerlichen Vorwahlen verbraucht wirken und wegen ihrer sozialpolitisch harten Vorschläge einen Teil der vormals linken Arbeiterwähler erst recht in die Arme von Marine Le Pen treiben könnten.

Letzte Umfragen prophezeien für die bürgerlichen Vorwahlen einen Dreikampf:

Alain Juppé Der ursprünglich unangefochtene Favorit liegt zwar weiter in Führung, hat aber einen Teil seines Vorsprungs eingebüßt. Juppé, 71 Jahre alt, war von 1995 bis 1997 Premierminister. Er gilt als pragmatischer Routinier, weshalb er auch von Zentrumswählern bevorzugt wird. Sogar Linkswähler, die sich mit einer Niederlage der SP abgefunden haben, betrachten ihn als Rettungsanker. Meinungsforscher gehen davon aus, dass er diese Vorwahlen umso eher gewinnen würde, als es zu einer breiten Beteiligung käme (jeder französische Staatsbürger, der eine knappe Erklärung unterschreibt, kann abstimmen). Wenn aber hauptsächlich der harte Anhänger-Kern der Konservativen abstimmen geht, hätte Juppé weniger Chancen: eben wegen seiner allzu routinierten, etwas eintönigen Art vermag Juppé keine Begeisterung auszulösen. Die konservativen Aktivisten finden ihn auch viel zu zurückhaltend in Sachen Islam und Migranten: Juppé hat den Slogan der "glücklichen Identität" geprägt, um sich von den Unkenrufen seines Rivalen Nicolas Sarkozy über "die Gefährdung der französischen Identität" abzuheben.

Nicolas Sarkozy Der rabiate Tribun bringt wie eh und je Versammlungen mit Tabubrüchen in Wallung. Die zahllosen Enthüllungen über seine mutmaßlichen Gesetzesbrüche – zurzeit häufen sich wieder die Hinweise auf frühere Zuwendungen durch den verstorbenen libyschen Diktator Gaddafi – prallten bisher wirkungslos ab. Er will eine Volksabstimmung über die Abschaffung des Rechts auf Familienzuzug für Migranten und das Verbot des islamischen Kopftuchs an den Unis. Sarkozys Schwachpunkt bleibt seine Amtsperiode als Staatschef, die für seine rechtslastige Basis enttäuschend verlief. Weshalb es ihm schwerfallen dürfte, wie bei seinem Sieg 2007 noch einmal Le Pen-Wähler für sich zu gewinnen.

Francois Fillon Der phlegmatische Ex-Premier (unter Präsident Sarkozy) wirkt noch farbloser als Alain Juppé, aber er hat sich mit einem radikalen Sparprogramm zu einem ernst zu nehmenden Rivalen für Juppé gemausert. Fillon, der schon als Regierungschef mit bitteren Diagnosen schockte ("Frankreich ist bankrott"), besticht jene, die Juppé für zu konziliant halten. So will Fillon über eine halbe Million Posten im Staatsdienst abbauen, während sich Sarkozy und Juppé mit der Hälfte begnügen würden.

Marine Le Pen positioniert sich neu

Diese Sparprojekte kommen wiederum Marine Le Pen als Einfallstor gegenüber Wählerschichten gelegen, die sich ihr erstmals zuwenden – etwa öffentlich Bedienstete, die von der Linken enttäuscht sind. Le Pen lockt mit staatslastigen, protektionistischen Versprechen. Und einem trendigen Image: In ihrer soeben eröffneten Wahlkampfzentrale, gleich beim Élysée-Palast um die Ecke, scheint der Parteiname "Front National" nicht mehr auf. Stattdessen wirbt sie mit blauer Rose (die rote Rose ist das Symbol der SP), an den Wänden prangt Pop-Art.

Auf der anderen Seite könnte dem bürgerlichen Präsidentschaftskandidaten eine gefährliche Konkurrenz durch Emmanuel Macron, 38, erwachsen, der auch eben erst seine Kandidatur offiziell angekündigt hat. Der Ex-Banker, ein vormaliger Vertrauter von Präsident Hollande und zurückgetretene Finanzminister, wäre in Österreich mit den "Neos" vergleichbar. Er versucht sich als parteiübergreifender, pro-europäischer und wirtschaftsliberaler Entrümpler in Stellung zu bringen, der gleichzeitig die ständige Debatte über den Islam verwirft.

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