Das wurde aus den Corona-Musterschülern vom Frühling

Das wurde aus den Corona-Musterschülern vom Frühling
Österreich stimmte sich mit "First Movern" ab, Israel und Tschechien wurden zu Sorgenkindern. Neuseeland und Norwegen stehen nach wie vor gut da.

Im Frühjahr galten sie als Musterschüler bei der Bewältigung der Coronakrise: Länder wie Österreich, Neuseeland, Australien, Tschechien, Israel, Griechenland und Dänemark. Die sogenannten "smarten First-Mover-Countries" stimmten sich in mehreren Videokonferenzen ab. Seitdem hat sich die Pandemie in den Ländern sehr unterschiedlich entwickelt: Israel und Tschechien sind gewissermaßen zu Sorgenkindern geworden, dagegen stehen andere Länder nach wie vor vergleichsweise gut da.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) beriet erstmals am 24. April mit seinen Amtskollegen aus Neuseeland, Australien, Israel, Dänemark, Griechenland und Tschechien. Bei der zweiten Videokonferenz zwei Wochen später waren auch Singapur und Norwegen dabei. In der Folge stieß auch Costa Rica zu der Runde der sogenannten "smarten" Länder dazu. Die Staaten, die sich in dem Format zuletzt Ende Juli austauschten, stehen laut Bundeskanzleramt weiterhin im laufenden Austausch sowohl auf Beamten- als auch auf Expertenebene.

Die Staaten haben durchaus unterschiedliche Voraussetzungen, im Frühjahr gelang es den Ländern aber ähnlich gut, durch sehr früh gesetzte strikte Maßnahmen die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Seitdem verlief die Entwicklung allerdings sehr unterschiedlich. Ein Überblick:

AUSTRALIEN: Bestätigte Infektionen insgesamt: 26.942, 854 Tote, 1.923 aktive Fälle

Das 25-Millionen-Einwohner-Land hatte die Ausbreitung des Coronavirus zunächst erfolgreich eingedämmt. Bereits im April gab die Regierung Entwarnung, im ganzen Land wurden die Corona-Regeln wieder gelockert. Im Juli stiegen die Zahlen der Neuinfektionen aber wieder an. Besonders betroffen war der Bundesstaat Victoria mit der Millionenstadt Melbourne. Daher wurde bereits Anfang Juli erneut ein regionaler Lockdown verhängt. Die wochenlangen Beschränkungen, die unter anderem eine nächtliche Ausgangssperre vorschreiben, sollten eigentlich Mitte September enden, wurde aber weitere zwei Wochen bis 28. September verlängert. Victoria ist nach wie vor weitgehend vom Rest des Landes abgeriegelt. Seit Anfang August gehen die Zahlen der täglichen Neuinfektionen deutlich zurück. Die Grenzen Australiens sollen dennoch bis mindestens 17. Dezember für Besucher aus dem Ausland geschlossen bleiben.

COSTA RICA: Bestätigte Infektionen insgesamt: 65.602, Tote: 745, aktive Fälle: 39.730

Costa Rica galt lange als Zentralamerikas Musterschüler im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Seit Anfang Juli kämpft das Land aber mit einem rasanten Wachstum der Infektionszahlen. Seit Ende August liegt die Zahl der täglichen Neuinfektionen in dem knapp Fünf-Millionen-Einwohner-Land bei mehr als 1.000. Insgesamt gab es bisher 65.602 bestätigte Infektionen, mehr als die Hälfte davon gelten als aktive Fälle. 745 Infizierte mit Covid-19 starben bisher.

DÄNEMARK: Bestätigte Infektionen insgesamt: 23.774, Tote: 640, aktive Fälle 4.969

Dänemark war eines der ersten europäischen Länder, das Anfang März bereits strikte Corona-Maßnahmen setzte und die Grenzen schloss. Auch bei der Öffnung war das Land ganz vorne dabei und begann anders als andere Länder zuerst im Bildungsbereich. Mitte April öffneten die Volksschulen und Kindergärten bereits wieder. Nach einem relativ ruhigen Sommer steigen ähnlich wie in den meisten europäischen Ländern auch in Dänemark derzeit die Infektionen wieder an. Mit 74 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von 14 Tagen hat das 5,8-Millionen-Einwohner-Land die Pandemie aber derzeit noch etwas besser im Griff als etwa Österreich, wo diese Zahl bei 105 liegt. Allerdings wurde am Samstag erst ein neuer Tagesrekord an Corona-Neuinfektionen seit Beginn der Pandemie registriert: 589 neue Infektionen wurden innerhalb von 24 Stunden gemeldet. Seit Samstag gelten erneut eine Reihe von Beschränkungen: Unter anderem müssen Restaurants und Lokale landesweit nun bereits um 22.00 Uhr schließen, in den Gaststätten muss zudem ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden. Die maximale Teilnehmerzahl bei Versammlungen wurde wieder auf 50 herabgesetzt.

GRIECHENLAND: Bestätigte Infektionen insgesamt: 15.595, Tote: 344, aktive Fälle: 13.904

Auch in Griechenland steigen seit Anfang August die Infektionszahlen wieder, aber das 10,7-Millionen-Einwohner-Land steht trotz Sommertourismus nach wie vor im europäischen Vergleich relativ gut da in punkto Pandemie-Bekämpfung. Seit Beginn der Pandemie wurden insgesamt 15.142 Infizierte gezählt, das sind weniger als halb so viele wie in Österreich. Auch bei den Toten verzeichnet das Mittelmeerland mit 338 rund die Hälfte jener hierzulande. Mit 33,7 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner innerhalb der vergangenen 14 Tage steht das Land im EU-Vergleich relativ gut da.

ISRAEL: Bestätigte Infektionen insgesamt: 190.929, Tote: 1.273, aktive Fälle: 52.876

Nachdem das 8,8-Millionen-Einwohner-Land die Pandemie im Frühjahr rasch in den Griff bekommen hat, verzeichnet das einstige Musterland mittlerweile die zweithöchsten Infektionsraten weltweit. Insgesamt wurden bisher mehr als 190.900 Infektionen registriert, das sind fünfmal so viele wie in dem Einwohner-mäßig vergleichbaren Österreich. Wegen der rasant steigenden Zahlen hat die israelische Regierung vergangene Woche einen neuerlichen dreiwöchigen Lockdown verhängt. Schulen und Kindergärten sind daher wieder geschlossen. Die Menschen dürfen sich nur in Ausnahmefällen weiter als 1.000 Meter von ihrem Zuhause entfernen. Einreisen für Nicht-Israelis sind nur in Ausnahmefällen gestattet. Touristische Reisen und Geschäftsreisen sind nicht möglich.

Damit will die Regierung eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindern. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums vom Montag gibt es derzeit 643 Schwerkranke in Israel. Nimmt diese Zahl weiter stark zu, dann stehen Kliniken davor, ihre Kapazitätsgrenzen zu erreichen. Als kritische Marke gilt Experten die Zahl von 800 Schwerkranken. Viele Bürger werfen Regierungschef Benjamin Netanyahu vor, die Corona-Restriktionen zu rasch gelockert und so eine zweite Infektionswelle verursacht zu haben.

NEUSEELAND: Bestätigte Infektionen insgesamt: 1.815, Tote: 25, aktive Fälle: 61

Neuseeland gehört nach wie vor zu den erfolgreichsten Ländern bei der Eindämmung der Pandemie. Nach dem guten Start und einem strikten Lockdown im Frühjahr bildete sich Mitte August in der größten Stadt Auckland ein neuer Infektionsherd. Die Regierung verhängte erneut strikte Corona-Maßnahmen, die am Montag wieder aufgehoben werden konnten. Im Großteil des Landes gilt wieder die niedrigste Stufe 1 des vierstufigen Corona-Notfallplans. In Auckland gilt vorerst weiter die Stufe 2. Seit Anfang September ist die Zahl der Neuinfektionen wieder im einstelligen Bereich, am Montag wurde kein neuer Fall gemeldet.

NORWEGEN: Bestätigte Infektionen insgesamt: 13.005, Tote: 267, aktive Fälle: 2.367

Nach Entdeckung der ersten Coronafälle in Norwegen, die von den norwegischen Gesundheitsbehörden zum Teil auf Reiserückkehrer aus Tirol zurückgeführt wurden, verhängte das Land anders als das Nachbarland Schweden strikte Maßnahmen. Alle Schulen, Bars sowie andere öffentlichen Einrichtungen und Flughäfen wurden geschlossen. Das skandinavische Land, das nicht der EU, aber dem grenzkontrollfreien Schengen-Raum angehört, verhängte strengste Regelungen beim Grenzübertritt. Nach einem neuerlichen Anstieg der Neuinfektionen wurden die zwischenzeitlich gelockerten Einreisebeschränkungen mittlerweile wieder verschärft. Seit Anfang September verzeichnet das 5,4 Millionen-Einwohner-Land wieder mehr Neuinfektionen. Mit 28,6 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern im 14-Tage-Schnitt gehört es aber nach wie vor zu den Musterschülern Europas.

SINGAPUR: Bestätigte Infektionen insgesamt: 57.606, Tote: 27, aktive Fälle: 338

Der Stadtstaat mit seinen 5,8 Millionen Einwohnern galt lange Zeit als positives Beispiel. Die ersten Infektionen traten in Singapur Anfang Februar auf, bei allen Fällen gab es einen direkten Bezug zu China. Das Land hatte die ersten Infizierten sofort isoliert, Infektionsketten minutiös nachverfolgt und alle Kontaktpersonen unter Quarantäne gestellt. Die Auswertung von Standortdaten wurde bei der Durchsetzung von Ausgangssperren genutzt. So gelang es, die Fallzahlen trotz der Nähe zu China äußerst niedrig zu halten - obwohl Schulen und Geschäfte zunächst offen blieben. Eine Anstieg der Infektionszahlen im April konnte durch restriktive Maßnahmen binnen weniger Wochen wieder eingedämmt werden. Seit Wochen liegt die Zahl der täglichen Neuinfektionen bei weniger als hundert. Derzeit gibt es nur 338 aktive Fälle. Ins Auge sticht vor allem die niedrige Todesrate in Singapur: Trotz insgesamt 57.606 bestätigten Infektionen seit Pandemie-Beginn gibt es nur 27 bestätigte Todesopfer.

TSCHECHIEN: Bestätigte Infektionen insgesamt: 50.764, Tote: 522, aktive Fälle: 24.817

Das nordöstliche Nachbarland von Österreich hat sich in den vergangenen Wochen vom Musterland zu einem der größten Sorgenkinder Europas entwickelt. Während im März rasch und mit strikten Maßnahmen wie einer Maskenpflicht im gesamten öffentlichen Raum auf die ersten bestätigten Fälle reagiert wurde, zögerte die tschechische Regierung im August trotz steigender Infektionszahlen zunächst. Erst spät wurden die unpopulären Maßnahmen wieder verschärft. Das 10,6-Millionen-Einwohner-Land meldete vergangene Woche Rekordzahlen bei der Zahl der täglichen Neuinfektionen jenseits der 2.000er-Marke. Laut der EU-Gesundheitsagentur ECDC hat Tschechien innerhalb der EU bei der Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner im 14 Tage-Schnitt mit 198 mittlerweile Frankreich überholt und liegt an zweiter Stelle hinter Spanien.

ÖSTERREICH: Bestätigte Fälle: 38.658, 767 Tote, aktiv erkrankt: 8.375

Auch Österreichs Image als Vorzugsschüler bei der Eindämmung der Pandemie hat in den vergangenen Wochen Kratzer bekommen, seitdem die Infektionszahlen wieder ansteigen. Mit 105,7 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen Tagen steht das Land im Moment im EU-Vergleich etwa deutlich schlechter als Deutschland, Schweden oder Italien da.

 

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