"Das Möglichste versuchen“: Israels umstrittene Vermittlung
"Es ist unsere moralische Pflicht, unser Möglichstes zu versuchen.“ So erklärte Israels Premier Naftali Bennett im Kabinett seine Versuche, zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln. Fast täglich telefoniert er mit beiden Seiten. Am hochheiligen Sabbat-Ruhetag flog er nach Moskau. Für den religiösen Bennett eine Sünde – es sei denn die Tat rettet Menschenleben.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij sieht Jerusalem sogar als möglichen Verhandlungsort. Doch Bennetts Politik ist in Israel und im eigenen Kabinett umstritten: Wo verläuft die Grenze zwischen Moral und politischen Interessen? Was ist der Unterschied zwischen einem Botschafter des Friedens und einem Boten von Kapitulationsforderungen? Bennett dementierte bereits Meldungen, er habe Selenskij zur Annahme der Maximal-Forderungen von Kremlchef Wladimir Putin aufgefordert.
Persönliches Profil
Es geht um mehr als Bennets persönliches Profil vor der Welt und seinen Wählern. Es geht um Israels Staatsinteressen. Israels Armee steht in Sachen Syrien russischen Soldaten gegenüber. Wobei Israel sich nicht in den Bürgerkrieg von Präsident Assad einmischt. Die russischen Soldaten wiederum bleiben passiv, auch wenn israelische Luftangriffe gegen iranische Einrichtungen in Syrien direkt vor ihren Augen stattfinden.
Bennett will nicht den offenen Krieg wagen. Ein offener Konflikt mit Israel in Syrien wäre strategisch wie taktisch auch für Putin ein Desaster. Mit im Hintergrund: Die Atomgespräche in Wien. Jetzt stocken sie wegen russischer Versuche, über diese Verhandlungen die weltweiten Öl-Sanktionen zu unterlaufen. Ausgerechnet Bennett kritisiert dabei nicht iranische Öl-Lieferungen an Russland. Denn wie sein Vorgänger Netanjahu widersetzt sich auch Bennet mit aller Kraft einem Nuklear-Abkommen.
Dann ist da noch Bennetts Zaudern: So verurteilte er nicht sofort und nur verhalten den russischen Angriff. Die US-Regierung kritisierte letzte Woche öffentlich Israels beschränkte Teilnahme an den Sanktionen gegen Russland. Vor allem die Tatsache, dass Israel für geächtete russische Oligarchen zum sicheren Hafen wurde.
Ganz im Unterschied zu ersten ukrainischen Flüchtlingen. Die wurden zunächst zurückgewiesen, wenn sie nicht die erforderliche Visa-Kaution zahlen konnten. Erst ein öffentlicher Aufschrei in Medien und Netzwerken führte zu einer breiteren Öffnung der Tore.
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