Vereinigte Arabische Emirate: Das Möchtegern-Sparta des Nahen Ostens
Es war ein schmeichelhaftes Kompliment für die Fürsten der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE): „Sie sind das Sparta des Nahen Ostens“, streute der ehemalige US-Verteidigungsminister James Mattis dem kleinen Golfstaat Rosen. Auf den ersten Blick klingt das plausibel: Die Perser – beziehungsweise der heutige Iran – sind der Feind, bevölkerungs- und flächentechnisch ist man den Iranern ebenso unterlegen. Und es ist unbestritten, dass die VAE über eine modern ausgerüstete Armee verfügen.
Manche Militärexperten sind der Meinung, es sei die Schlagkräftigste aller arabischen Staaten.
In einem anderen Bereich hinkt der Vergleich – nämlich bei der Stellung der Frau. Auch wenn den antiken Spartanerinnen keine formalen Bürgerrechte zugestanden wurden, erhielten sie eine umfangreiche sportliche Ausbildung, hatten in der Ehe weitreichende Rechte und durften ihr Vermögen selbst verwalten.
Eingesperrte Frauen
Der Fall der Prinzessin Latifa in den VAE zeichnet ein anderes Bild im „schillernden Sparta“ am Golf.
Einer der sieben Fürsten des Staates, der Emir von Dubai, Mohammed bin Raschid Al Maktoum, hält seine Tochter Latifa gefangen, weil sie aus dem goldenen Glitzerkäfig flüchten wollte. Vor fast drei Jahren versuchte sie mit einem Schnellboot zu fliehen, sie wurde von den Häschern ihres Vaters knapp vor der indischen Küste geschnappt und zurück nach Dubai gebracht.
Dabei hoffte die junge Frau einfach nur auf ein normales Leben: Sie wollte selbst Auto fahren, reisen und studieren dürfen.
Die heute 35-Jährige wird in einer abgeriegelten Villa festgehalten. Auf Videos, die offenbar in einem Badezimmer aufgenommen worden waren, dem einzigen Raum, den sie nach eigenen Aussagen verschließen könne, sagte sie: „Ich bin eine Geisel.“ Auch eine zweite Tochter des Emirs ist nach einem Fluchtversuch von der Bildfläche verschwunden.
Und die langjährige Lieblingsfrau des Emirs, der mehr als zehn Frauen hat, flüchtete mit ihren zwei Kindern nach London und setzte dort die Scheidung durch. Prinzessin Haya Bint-al-Hussein hat geholfen, dass sie eine Tochter des verstorbenen jordanischen Königs Hussein ist.
Der Londoner High Court veröffentlichte 2020 Gerichtsurteile, die Scheich Mohammed bin Raschid Al Maktum für die Entführung zweier seiner Töchter und die Einschüchterung einer seiner Ehefrauen verantwortlich machen. Es sind Dokumente des Machtmissbrauchs: Der skrupellose Herrscher schreckt auch vor Folter nicht zurück.
Denselben Vorwurf muss sich VAE-Kronprinz Muhammad bin Zayid gefallen lassen. Seine Truppen sollen in einer Militärbasis in Eritrea Kriegsgefangene aus dem Jemen brutal gefoltert haben. Dabei hätte der Jemen-Krieg der Beweis für die aufstrebende Militärmacht VAE werden sollen.
Kein großer Erfolg
Mit chinesischen Kampfdrohnen, US-amerikanischen Jets und französischen Panzern ausgestattet, zogen die Emirate 2015 gemeinsam mit Saudi-Arabien in den Krieg. Der Feind: die vom Iran unterstützten Houthi-Rebellen, die vor allem für die Saudis eine Bedrohung darstellen. Trotz massiver Bombardements, modernen Waffensystemen und zusätzlich 14.000 sudanesischen Söldnern, ist der Militärkoalition kein großer Erfolg beschieden gewesen. Die Bombenangriffe auf unschuldige Zivilisten – gar einmal während einer Hochzeit – haben in der internationalen Presse für Aufschreie gesorgt.
„Reales Disneyland“
Ein unangenehmes Störfeuer für das Königreich, das sich nach außen hin als real gewordenes Disneyland verkaufen möchte. Luxusboutiquen, aufwendige Wasserparks, teure Restaurants und Steuerfreiheit sollen ausländische Gäste locken – und das mit Erfolg. Hunderte Social Media-Sternchen wohnen mittlerweile in Dubai, werden von der Regierung dafür bezahlt, die Feuerwerke am orientalischen Nachthimmel in der virtuellen Welt zu verbreiten.
Ein Feuerwerk wollte bin Zayid auch außenpolitisch zünden; er unterstützte etwa den libyschen General Khalifa Haftar in dessen Kampf gegen die sogenannte „Einheitsregierung“ in Tripolis. Mit bescheidenem Erfolg. Die Belagerung der libyschen Hauptstadt schlug trotz Drohnen und Kampfjets der VAE fehl.
2019 beschloss das Königreich, sich langsam aus dem Jemen zurückzuziehen. Der Großteil der verbleibenden Truppen solle sich auf die Bekämpfung islamistischer Terrorgruppen im Land konzentrieren. Die notwendige Erfahrung dafür hat das Militär in Afghanistan gesammelt, wo sich die VAE seit 2007 aufseiten der NATO im Einsatz befinden. Als einziges arabisches Land. Auch in Syrien und im Irak sind Kampfjets der Emirate Einsätze gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ geflogen.
Mit kriegerischem Ruhm haben sich die Emirate im Jemen nicht bedeckt, scheinen nun damit zufrieden zu sein, den handelswichtigen Golf von Aden zu kontrollieren. Der Eingang zum Roten Meer ist ein strategisch wichtiger Punkt für das ölreiche Land, vor dessen Haustüre sich die noch wichtigere Straße von Hormus befindet.
Das Land auf der andren Seite der Meerenge bereitet den Emiraten größere Sorgen, hört man. Der Iran als religiöser und politischer Gegner Saudi-Arabiens, hat seinen Einfluss in der Region trotz Sanktionen und Wirtschaftskrise ausgeweitet. Immer wieder kocht die Situation am Persischen Golf hoch.
Dass die VAE im Sommer ihre Beziehungen mit Israel normalisiert haben, ist ein Zeichen dafür, wie ernst man Teheran als Bedrohung wahrnimmt. Und auch, wie sehr der langsame Rückzug der USA aus der Region nach neuen Bündnissen verlangt.
Denn auch wenn die Vereinigten Arabischen Emirate in den vergangenen Jahrzehnten Unsummen für ihr Militär ausgegeben haben, bisher konnten sie dem Kompliment des James Mattis nicht gerecht werden.
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