Das Coronavirus, eine Erfindung? Wie in der Krise mit Ängsten gespielt wird

Das Coronavirus, eine Erfindung? Wie in der Krise mit Ängsten gespielt wird
Ein Drittel der Amerikaner glaubt, dass das Virus gezüchtet wurde. Videos eines Mediziners, der von übertriebener Panikmache spricht, geistert durchs Netz. Warum?

Kommt das Coronavirus aus einem Labor? Zumindest 29 Prozent aller Amerikaner glauben das, hat das Pew Research Center jetzt eruiert. Ein Prozent meint sogar, es existiere schlicht und ergreifend nicht und sei eine Erfindung der Medien und der Politik.

Ähnliches Zahlenmaterial würde man wohl weltweit finden, kann angenommen werden. Darum stellt sich die Frage: Warum glauben so viele Menschen an derartige Theorien?

Wunderwaffen und Betrüger

Eine Antwort ist: Weil sie gerade jetzt sprießen wie selten zuvor. Vor allem der früher beliebte Kettenbrief ist wieder in Mode. Da werden Selbsttest und Trinktechniken weitergeleitet, die einen vor dem Virus schützen sollen; auch Vitamin C als Wunderwaffe wird angepriesen.

Und selbst Telefonbetrüger nutzen die Krise, um an Geld zu kommen: „Die Betrüger treten per Telefon an die Opfer heran und geben sich als Verwandte, Ärzte oder Gesundheitsbeamte aus. Im Gespräch versuchen sie, entweder an Bargeld oder Bank- oder sonstige Zahlungsdaten heranzukommen“, meldet das österreichische Fake-News-Portal Mimikama.

 

Dran ist an all den Theorien freilich wenig bis nichts. Bisher gibt es keinerlei gesicherte Daten zum Virus; selbst die Debatte rund um die möglicherweise gefährliche Nutzung von Ibuprofen zeigt das: Auch diese Meldung hat nur eine dünne empirische Grundlage, hat aber als Warnung samt angeblicher wissenschaftlicher Beweise durch die Med-Uni Wien als Fake News die Runde gemacht. Die WHO rät inzwischen von der Nutzung von Ibuprofen ab, allerdings mit dem Hinweis, dass es keine ordentlichen Untersuchungen dazu gebe.

Brisantes Video

Besonders populär sind derzeit die Videos von Wolfgang Wodarg. Die Grundthese des Deutschen: Bei der Warnung vor dem Coronavirus handelt es sich um Panikmache, eigentlich sei das Ganze ein „ganz normaler Winter“.

Das klingt vertrauenswürdig, schließlich ist der Mann nicht irgendwer: Er ist Internist, ehemals Leiter eines Gesundheitsamts in Schleswig-Holstein, zudem war er 15 Jahre lang SPD-Abgeordneter. Das wirkt, eines seiner Videos wurde bereits mehr als eine Million Mal abgerufen.

 

Hat das auch eine Grundlage? Das Faktencheck-Team von Correctiv hat sich die Behauptungen genauer angesehen. „Wodarg argumentiert im Kern, dass es Coronaviren schon vor der aktuellen Krankheitswelle gegeben habe. Diese sei nicht schlimmer als frühere Grippewellen. Allerdings hätten Forscher – angeblich auch aus finanziellen Motiven – jetzt Tests entwickelt, die zuvor nicht zur Verfügung standen“, schreiben die Faktenchecker dort.

Es geht angeblich nur ums Geld

Kurzum: Das Ganze sei Panikmache, um Geld zu verdienen. Die Todesfälle seien auch nicht höher als in anderen Jahren: „Wenn es bei vorherigen Grippewellen 20.000 bis 30.000 Tote gegeben habe, dann gab es in den vergangenen Jahren immer 2.000 bis 3.000 Tote durch Coronaviren. Und da sind wir ja noch weit von weg“, so Wodargs Argument.

 

Das stimmt freilich. Coronaviren gibt es schon seit den 1960ern, auch die SARS- und MERS-Epidemien waren auf den Virenstamm zurückzuführen, zudem auch viele andere Erkältungsviren. Und ja, auch die Grippe fordert Jahr für Jahr tausende Tote. Aber: Das ist nicht das Problem beim aktuellen Corona. Denn: „Für dieses Virus gibt es bisher weder einen Impfstoff noch eine Immunität in der Bevölkerung. Lässt man der Pandemie also ihren Lauf, ist das Gesundheitssystem schnell überlastet“, so Correctiv.

Sind die Tests nicht genau?

Zudem übt er massive Kritik an den derzeitigen Tests, die entwickelt wurden – sie würden nämlich gar nicht auf den aktuellen Erreger spezifiziert sein, sondern seien auf Basis „der ähnlichen Viren, die man kannte“, entwickelt worden.

Tatsächlich ist es so, dass etwa von der Berliner Charité entwickelte Test auf der genetischen Nähe von 2019-nCoV mit SARS-Coronaviren basiert; das macht die Klinik auch öffentlich, ebenso die WHO. Die genetische Nähe sei aber ausreichend, heißt es weiter – zudem sei eine Validierungsstudie durchgeführt worden mit hunderten echten Patientenproben. „Nicht ein einziges Mal hat es da eine falsch positive Reaktion gegeben. Also dieser Test reagiert gegen kein anderes Coronavirus des Menschen und gegen kein anderes Erkältungsvirus des Menschen“, entgegnet Christian Drosten von der Charité in Berlin in einem NDR-Interview.

Politisches Interesse

Der letzte Punkt des Arztes: Das Virus werde auch aus politischen Interessen hochgespielt. Das SARS-CoV-2-Virus sei deswegen in Wuhan entdeckt worden, weil es dort „Sicherheitslabore“ für Viren gebe, deutet er an. „Das war politisch sehr wichtig plötzlich. Das Fieberthermometer regelte den Verkehr in Chinas Straßen“, sagt er in einem seiner Videos.

Correctiv hat bei Wodarg selbst nachgefragt. Im Gespräch unterstellt er auch Wissenschaftlern finanzielle Interessen: „Wissenschaftler wollen mitschwimmen, weil sie Geld brauchen für ihre Institute. Sie wollen wichtig werden.“ Drosten sagt dazu, dass man an den Tests „keinen Cent“ verdiene.

Wodargs Äußerungen sollten darum keinesfalls ernst genommen werden. Auch Ingrid Brodnig, Österreichs Netzexpertin Nummer eins, warnt davor; ebenso Mimikama. Sie warnen vor Verbreitung der Videos. Dazu muss man auch sagen: Jeder Klick auf ein derartiges Video bringt den Erstellern Geld.

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