Rückendeckung für Söder beim CSU-Parteitag: "Bayernpower statt Ampeltrauer"
Zwei Wochen vor der Wahl in Bayern ließ sich der Ministerpräsident den Beistand seiner Partei bestätigen. Und schwört Einigkeit mit CDU-Chef Merz im Kampf gegen den gemeinsamen Feind: die Ampel-Regierung.
Weißwurst und Brezel zum Frühstück und vereinzelt das erste Bier dazu – es wäre nicht München, schon gar nicht während des Oktoberfestes, und es wäre kein CSU-Parteitag ohne. Stärkung haben nicht nur die Delegierten dringend nötig, die bereits in Dirndl und Lederhose kamen, um nach getaner Arbeit wohl auf die Wiesn weiterzuziehen, sondern auch die Partei selbst: Denn den Umfragen zufolge ist ein ähnlich historisch schlechtes Ergebnis wie 2018 (37,2 Prozent) am 8. Oktober nicht ausgeschlossen.
Den Parteitag hat die CSU daher lieber vor als nach der Wahl angelegt – um Zusammenhalt, Stabilität und Rückendeckung für den CSU-Chef Markus Söder zu signalisieren; nur schwingt auch der schale Beigeschmack mit, ja keinen Platz für große Zweifel und Diskussionen lassen zu wollen. Die Delegierten folgen brav und bescheren Söder eine Wiederwahl inklusive Rekordwert von 96,56 Prozent.
Zuvor hatte Söder zu einem eineinhalbstündigen Loblied auf sein Bundesland angesetzt: Glaubt man Söder, steht Bayern in jeglichen Kennzahlen – Wirtschaftswachstum, Arbeitslosenquote Armutsquote – vergleichsweise gut da. Während Deutschland Tag für Tag tiefer in Krise, Inflation und Depression rutsche, bleibe Bayern dank der CSU "stark und stabil", so auch das Motto des Parteitags. "Bayrische Freiheit statt Berliner Verbote!", brachte es Söder auf den Punkt.
Am 8. Oktober wählt Bayern einen neuen Landtag: Markus Söder dürfte Ministerpräsident bleiben: Seine CSU liegt in Umfragen auf dem ersten Platz zwischen 36 und 38 Prozent, könnte aber ein historisch schlechtes Ergebnis einfahren. Mit großem Abstand folgen die liberalen Freien Wähler (14 bis 17 Prozent), die Grünen (14 Prozent) sowie die AfD (13 bis 14 Prozent). Die SPD liegt bei 9 Prozent, die FDP droht, (wieder einmal) aus dem Landtag zu fallen. Söder will trotz der "Flugblatt"-Affäre des FW-Chefs Hubert Aiwanger die bisherige Koalition mit den Freien Wählern fortsetzen.
Schüsse nach Berlin
Die Ampel-Regierung, Söders Lieblingsfeindbild, bekam wie gewohnt ihr Fett ab: "Diese Bundesregierung ist die schlechteste, die Deutschland je erlebt hat." Kanzler Olaf Scholz (SPD) warf er Tatenlosigkeit und Schweigen vor, von SP-Gesundheitsminister Karl Lauterbach wünschte sich Söder "Hustensäfte in den Apotheken statt Drogen auf der Straße" in Anspielung auf drohende Lieferengpässe bei Arzneimitteln und die angekündigte Cannabis-Legalisierung. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nannte er eine "neue Frau Lambrecht Deutschlands" und verglich sie mit der nach massiver Kritik im Jänner zurückgetretenen ehemaligen Verteidigungsministerin.
Söder weiß, wie sein Publikum funktioniert: "Bayernpower statt Ampeltrauer!" Hob er die Stimme, setzte der Applaus an. Er machte eine Pause, ließ ihn gewähren.
Starker Koalitionspartner
Dabei sitzt der eigentliche Feind nicht in Berlin, sondern in Bayern: Man habe es nicht für möglich gehalten, so ein Delegierter zum KURIER, doch der alte und künftige Koalitionspartner, die Freien Wähler, dürfte es wohl schaffen, die "Flugblatt"-Affäre ihres Vorsitzenden Hubert Aiwanger für sich nutzen (Aiwanger steht wegen eines in der Schulzeit bei ihm entdeckten antisemitischen Flugblatts in der Kritik, Anm.). In Umfragen konnten sie auf 17 Prozent zulegen – der "Opferbonus", so der Delegierte.
Mittlerweile spechteln sie auf das Landwirtschaftsministerium – eines der wichtigsten im Bauernstaat Bayern. Söder erteilte der Forderung eine Abfuhr und empfahl "mehr Demut". Er weiß, dass die Freien Wähler vor allem bei enttäuschten, rechtskonservativen CSU-Wählern punkten. In ihre Richtung erinnerte Söder: "Völlig egal, wer in der Vergangenheit Koalitionspartner war: Am Ende kommt es in Bayern immer auf die CSU an."
"Besser die Stimmen bei den Freien Wählern als bei der AfD", gab ein Bürgermeister aus der Oberpfalz zu bedenken. Der AfD werden in Umfragen 14 Prozent vorausgesagt, ein Plus von vier Prozent. Für seine Distanzierung von den "Putin-Knechten", wie Söder die Rechtspopulisten nannte, erhielt er besonders viel Applaus. Sehr viel mehr Redezeit als der Gefahr von rechts, schenkte Söder aber den Grünen: Auch die CSU mache Klimaschutz, "aber mit Hirn, nicht mit Leim"; Bayern sei Vorreiter bei erneuerbaren Energien: "Mir scheint, als seien die Grünen weniger Experten für Wind als für heiße Luft."
Schulterschluss
Eine abschließende Wahlempfehlung konnte sich Söder nicht verkneifen: "Die erste Stimme geben Sie am besten einem hervorragenden Kandidaten, die zweite Stimme dem bayrischen Ministerpräsidenten."
Für einige Delegierte überraschend einig zeigte sich Söder danach mit dem Vorsitzenden der Schwesterpartei, CDU-Chef Friedrich Merz. Zumindest vorübergehend schien die Kanzlerfrage vergessen: Söder dankte Merz für die "exzellente" Zusammenarbeit, Merz verfüge über den "richtigen Kompass für die Union".
Vielleicht ist es auch der gemeinsame Feind, der eint: Merz knüpfte an Söders rhetorische Schüsse gegen die Ampel-Regierung an: Sie biete ein Schauspiel, "das nicht mehr zu ertragen ist", sei mit ihrem Schweigen verantwortlich für die Radikalisierung in Teilen der Gesellschaft. "Das Hauptproblem Deutschlands hat einen Namen: Olaf Scholz." Dafür erntete Merz beinahe so viel Applaus wie sein Vorredner – und ein Lebkuchenherz von Söder.
Um kurz vor 16 Uhr – für die Feierwütigen rechtzeitig vorm Tischwechsel am Oktoberfest – wird der Parteitag dann pünktlich für geschlossen erklärt. Vor der Messehalle, zwischen den Ständen der deutschen Rauchtabakindustrie und des bayrischen Bauernverbands, warten bereits die frischgezapften Halben. Zufrieden? "Fürs Erste", so der Tenor.
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