Coronavirus: Schweiz verlässt den Mittelweg in Richtung Lockdown

Reopening of restaurant in Lausanne
Die Regierung hat strengere Maßnahmen verkündet. Vor Weihnachten könnte es doch noch zum harten Lockdown kommen.

„Zweites Schweden“ wurde die Schweiz in den vergangenen Wochen oft genannt. Der Grund: Die Corona-Maßnahmen bei den Eidgenossen waren bisher relativ locker. Bars und Restaurants waren geöffnet, auch von einem Lockdown des Handels sah man im Herbst zunächst ab. Bei wenig rechtlichen Einschränkungen richtete die Regierung ihren Appell vor allem an die Vernunft der Bevölkerung. Die Entscheidungen lagen vor allem in den Händen der Kantone.

Doch mit dem heutigen Tag ist weitgehend Schluss damit. Der Bundesrat hat strengere Maßnahmen verkündet, um das Virus einzudämmen. Gesundheitsminister Alain Berset hatte die Bevölkerung in den vergangenen Tagen darauf eingestimmt: „Vielleicht waren wir im September zu optimistisch.“ Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga hatte bekräftigt, dass die vergangenen Tage gezeigt hätten, „dass die Strategie angepasst werden muss“.

"Abend-Lockdown"

Nun sollen Restaurants, Geschäfte, Märkte und Fitnessstudios unter der Woche um 19 Uhr schließen, am Wochenende geschlossen bleiben. Private Treffen sollen nur noch maximal zu zehnt stattfinden, Sport maximal zu fünft. Öffentliche Veranstaltungen werden eingestellt. Die Regelungen sollen bis 22. Jänner gelten, könnten aber auch nach einer Woche in einen harten Lockdown umgewandelt werden.

Die Landesregierung hat damit ihre Ankündigungen vom vergangenen Dienstag weitgehend wahr gemacht - trotz Kritik der Kantone. Sie macht keinen Hehl daraus, dass die Kantone wenig von dieser Lösung halten. "Mit dem Vorgehen des Bundesrats ist eine große Mehrheit nicht einverstanden." Die Meinungen gingen weit auseinander.

Die Ankündigung der harten Maßnahmen stieß auf heftige Kritik. Doch die Infiziertenzahlen steigen exponentiell, die freien Intensivbetten werden immer weniger und die täglichen Todesfälle mehr. Im Interview mit dem Schweizer Blick sagte Berset: „Wir sollten nicht vergessen, dass andere Länder mit weniger Neuansteckungen im Lockdown sind und Ausgangssperren haben. Wir haben im Vergleich dazu noch viele Freiheiten und Lebensqualität. Doch das hat einen Preis.“

Weil die Kantone in der Konsultation die Einschätzung der epidemiologischen Lage grundsätzlich teilten, handelte der Bundesrat trotzdem - man setzt auf "eine stärkere Vereinheitlichung der Maßnahmen", wie er schreibt. Ziel sei ist, die Anzahl Kontakte weiter zu reduzieren und Menschenansammlungen zu vermeiden.

"Güterabwägung"

Anders als im Frühling, als die Schweiz der Ausbreitung des Virus mit einem Lockdown entgegen wirkte, entschloss sich der Bundesrat im Herbst zunächst für den so genannten „Schweizer Mittelweg“. Man habe eine „Güterabwägung“ gemacht, erklärte Finanzminister Ueli Maurer. Nicht nur die Gesundheit sei wichtig, sondern auch die Wirtschaft. Doch die konstante Todesrate von rund elf Fällen pro Tag und einer Million Einwohner hat die Regierung offenbar zum Umdenken bewegt.

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