Lilli, Mattis, Lasse + Eltern finden es "doof", dass ihr Spielplatz gesperrt ist – so steht es mit Straßenmalkreiden auf den Asphalt geschrieben. Hinter den Absperrbändern stehen Rutschen, Sandkästen, Schaukeln – seit Wochen verwaist. Genauso wie Biergärten und Lokale. In der Stadt, die gerne ohne Regeln auskommt, hat man sich strenge Auflagen verordnet. Bisher haben sich auch viele daran gehalten, die Berliner Polizei zieht eine durchaus positive Bilanz. Doch je schöner das Wetter wird, desto mehr Menschen zieht es nach draußen, wie an diesem Osterwochenende.
Der Treptower Park war mit Familien, Paar- und Solo-Spazierern so voll, dass Abstand halten kaum möglich war. In Neukölln feierte eine Gruppe in Hasenkostümen – nicht die einzige Party. "Wenn ein Mädchen zusammen mit 31 Gästen in seinen 16. Geburtstag reinfeiert und die eigene Mutter offenbar für diesen Zweck kurzfristig ein 2,5-Zimmer-Apartment angemietet hat, kommen wir leider nicht nur zum Gratulieren vorbei“, twitterte die Berliner Polizei mit dem Hinweis, bitte daheim zu bleiben.
Doch viele Deutschen sind wieder öfter unterwegs, berichtet etwa der Spiegel in seiner Onlineausgabe und beruft sich auf die anonyme Auswertung von Handydaten der Firma Teralytics. Waren Ende März, also zu Beginn der Einschränkungen, deutschlandweit noch um 37 Prozent weniger Menschen unterwegs, waren es an diesem Samstag nur noch minus 27 Prozent und am warmen Ostersonntag sogar minus 22 Prozent, heißt es.
Forderung nach Exit-Strategie
Die Ungeduld scheint zu wachsen, nicht nur in der Bevölkerung, auch bei Wirtschaftsvertretern und einzelnen Politikern. Sie fordern von der Regierung eine Exit-Strategie. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) verkündete, dass sich seine Ministerriege bereits mit Szenarien für einen "Fahrplan in eine verantwortungsvolle Normalität" beschäftigt habe. Aus der Opposition meldeten sich am Dienstag die Grünenvorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck. Sie plädieren dafür, Schulen und Kitas nach und nach wieder zu öffnen, begleitet von Vorsichtsmaßnahmen. Das kommt nicht von ungefähr.
Wenn sich Kanzlerin Angela Merkel nun am Mittwoch mit den Ministerpräsidenten der anderen Bundesländer trifft, wird man sich vor über ein Papier ganz genau beugen: 26 Experten der Nationalen Akademie Leopoldina, unter anderem aus den Bereichen Volkswirtschaft, Medizin, Psychologie, Soziologie, Physik und Recht, haben Vorschläge erarbeitet, wie das Land schrittweise in die Normalität zurückkehren kann. Dazu gehören auch Schulöffnungen für Jüngere, die sich beim eigenständigen Lernen schwertun. Die Voraussetzungen: Infektionen müssten auf niedrigem Niveau stabilisiert und die bekannten Hygieneregeln eingehalten werden. Auch Arbeiten und Reisen soll dann erlaubt sein.
Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sprach sich dafür aus, eine Lockerung mit Mundschutzpflicht zu verbinden. Parteikollege und Gesundheitsminister Jens Spahn will einheitliche Lösungen, was im föderalistischen Deutschland schwierig ist. Schon beim Setzen der Maßnahmen preschten einige vor. CSU-Chef Markus Söder setzte in Bayern (wo es derzeit die meisten Corona-Infektionen gibt) vor der geplanten Absprache mit seinen Kollegen Ausgangsbeschränkungen durch.
Niedrige Todesrate
Von Zuständen wie in Spanien oder Italien blieben die Deutschen bisher verschont: Die Todesrate wäre mit Blick auf die Zahl der Infizierten gering, was in vielen Medien aufschlug. So rätselte die New York Timesüber das "Ausnahmeland" und holte Expertenmeinungen ein. Das Robert Koch-Institut (RKI) erklärte die niedrigen Zahlen damit, dass man von Anfang an breit getestet und den Erreger früh entdeckt habe. Dadurch seien viele Fälle erfasst worden, die mild verlaufen.
Allerdings warnte das Institut, sich deshalb in Sicherheit zu wiegen – auch mit Blick auf Lockerungspläne. Für ein Ende des Lockdowns sei es noch zu früh, erklärte RKI-Präsident Lothar Wieler am Dienstag. Zur Debatte um Schulöffnungen hat sein Institut andere Positionen als die Leopoldina. So wäre es epidemiologisch sinnvoller, ältere Schüler in die Schulen zu lassen, weil sie eher die Abstandsregeln einhalten würden als Jüngere. Gut möglich, dass die Absperrbänder an den Spielplätze noch länger im Wind flattern werden.
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