Großbritannien: Kein Bier im Pub bis Weihnachten?
„Boris hat gesagt, wir sollten es vermeiden, ins Pub zu gehen. Aber wenn ich ins Pub gehen muss, werde ich auch ins Pub gehen“, hatte Stanley Johnson, der Vater des britischen Premiers, noch vor wenigen Wochen gescherzt. Kurz darauf mussten die britischen Pubs landesweit schließen – und können im schlimmsten Fall erst zu Weihnachten wieder aufsperren.
Angst vor zweiter Welle
Die derzeitigen Pläne der britischen Regierung sehen eine schrittweise Lockerung der Maßnahmen vor, ursprünglich sollten am 7. Mai zumindest die Ausgangsbeschränkungen fallen. Doch wie die britische Times erfuhr, hält Boris Johnson nach seinem coronabedingten Aufenthalt in der Intensivstation derzeit nicht viel von frühen Lockerungen. Seine Bedenken: Eine zu frühe, zu schnelle Wiederöffnung der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens könnte eine fatale zweite Coronawelle auslösen.
Eine Position, die zwei seiner Minister und engsten Vertrauten, sein Vize Michael Gove und Finanzminister Rishi Sunak, nicht teilen. Beide sollen vehement dafür eintreten, die Wirtschaft so rasch wie möglich wieder hochzufahren. Die Regierung solle „ordentlich Gas geben“, meinten die beiden in den Beratungen mit dem Premier.
Mehr als 16.000 Tote
Dennoch verpasste Gove in einem Fernsehgespräch am Sonntagabend den britischen Barbesitzern einen herben Dämpfer. Auf die Frage, ob Lokale noch vor dem Winter geöffnet würden, antwortete er: „Die Bereiche im Gastgewerbe werden zu den letzten gehören.“ Viele der ungefähr 50.000 Pubs im Vereinigten Königreich dürften den Lockdown aber nicht überleben.
In Anbetracht der Gesamtsituation in Großbritannien verblasst jedoch die Sorge um die Pubbesitzer: Mehr als 16.000 Briten sind bereits an Covid-19 gestorben, die Infektionszahlen schnellen in die Höhe, überschritten Montagmittag die 121.000. Langsam aber sicher nähert sich das Königreich Ländern wie Italien oder Frankreich.
Ausrüstungen knapp
In den britischen Kliniken werden etwa Ausrüstungen zum Schutz gegen das Coronavirus bedrohlich knapp; das gilt auch für die Ärzten und Pflegern empfohlenen langärmeligen, flüssigkeitsabweisenden Einweg-Kittel auf vielen Intensivstationen.
Daher haben die Behörden auch die Verwendung anderer Kittel erlaubt – ein Schritt, der am Wochenende auf heftige Kritik unter anderem von Gewerkschaften stieß. Sie befürchten ein erhöhtes Ansteckungsrisiko für Ärzte und Pfleger.
Dabei mangelt es ohnehin an Klinikpersonal, Beatmungsgeräten für Covid-19-Patienten und Tests. Experten befürchten, dass Großbritannien mit Blick auf die Todesquote das am schlimmsten betroffene Land in Europa werden könnte.
Einkommen sinken
Zugleich nimmt auch die wirtschaftliche Situation immer bedrohlichere Ausmaße an: Jeder dritte britische Haushalt hat bereits Einkommensverluste wegen der Coronakrise erlitten. „Etwa einer von drei britischen Haushalten meldete im April einen Rückgang des Einkommens aus Erwerbstätigkeit, was bei Weitem die größte Zahl seit Beginn der Umfrage im Jahr 2009 war“, sagte Ökonom Joe Hayes von IHS-Markit.
Die Regierung befürchtet, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im laufenden zweiten Quartal um bis zu 35 Prozent einbrechen könnte. Daten des britischen Einzelhandelsverbandes zeigen, dass die Zahl der einkaufenden Menschen um mehr als 80 Prozent gesunken ist.
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