CIA: Das Sicherheitsrisiko einer Affäre

CIA: Das Sicherheitsrisiko einer Affäre
Obama braucht einen neuen CIA-Chef: Der zurückgetretene hatte eine Geliebte, das FBI ermittelte.

Für US-Präsident Barack Obama gibt es keine Verschnaufpause nach dem Wahlkampf. Nur wenige Tage nach seiner Wiederwahl hat er zusätzlich zu den vorhersehbaren jetzt auch unvorhersehbare Personalprobleme zu lösen. Er ist auf der Suche nach einem neuen Chef für den Geheimdienst CIA. Ein Schlüsselposten. Einer, den General David Petraeus, eine amerikanische Armee-Legende, jetzt wegen einer außerehelichen Affäre aufgegeben hat. Petraeus hatte das in einer schriftlichen Erklärung am Freitag bekannt gegeben. Am Tag davor habe er den Präsidenten informiert, hieß es.

Es ist das Ende einer Legende: „Nach über 37-jähriger Ehe habe ich eine sehr schlechte Entscheidung getroffen, in dem ich mich in eine außereheliche Beziehung verwickelt habe. Ein solches Verhalten ist inakzeptabel für einen Ehemann und für den Führer unserer Organisation“, schrieb Petraeus in seiner Erklärung. Hier geht es weniger um moralische Wertvorstellungen als um eine ungeschriebene Agenten-Regel: Außereheliche Affären bieten Angriffsfläche für Erpressungsversuche.

Lobende Worte

Obama hat den Rücktritt angenommen und fand lobende Worte. „Während seines lebenslangen Dienstes hat David Petraeus unser Land sicherer und stärker gemacht“, sagte er. Zugleich gab er bekannt, dass Vize-CIA-Direktor Michael Morell vorübergehend Petraeus' Aufgaben übernehmen wird. Pikant sind die Einzelheiten des Falles. Auch, wenn es sich zunächst nur um Vermutungen handelt. Amerikanische Medien berichteten, dass Ermittlungen des FBI die Affäre ins Rollen brachten. Demnach handelt es sich bei der Liebschaft des Vier-Sterne-Generals um dessen Biografin Paula Broadwell. Broadwell ist Publizistin, diente in der US-Armee, ist Majorin der Reserve, selbst verheiratet und zweifache Mutter. Die von ihr und einem Co-Autor verfasste Biografie Petraeus’ „All in“ erschien im Jänner 2012. Das FBI ermittelte anscheinend wegen möglicher Sicherheitsrisiken. Unterschiedlichen Meldungen zufolge hatte Broadwell Zugang zum Mail-Account des CIA-Chefs – oder versucht, ihn zu knacken.

Nachfolger

Obama ging in seiner Reaktion lediglich auf die menschliche Dimension des Falles ein. „In meinen Gedanken und Gebeten bin ich mit Dave und Holly Petraeus.“ Weiter lobte er die Ehefrau des Generals für ihre Hilfe für Militärfamilien. „Ich wünsche Ihnen das beste in dieser schwierigen Zeit.“ Nachfolger Petraeus’ könnte jetzt Obamas Anti-Terror-Berater John Brennan werden. Er war bereits zuvor für den Job gehandelt worden und genießt das Vertrauen des Präsidenten.

Das hatte auch Petraeus. Vor allem aber war es seine Popularität, die dem angeschlagenen Geheimdienst neuen Glanz bescheren sollte. Der Mann mit der langen Karriere im US-Militär. Durch und durch integer. Der intellektuelle Asket. Der immer kühl analysierende Stratege. Er scheute keine Kritik an politischen Entscheidungen, als er Kommandeur der Truppen in Irak und später in Afghanistan war. 2011 wurde er CIA-Chef anstelle von Leon Panetta, nachdem dieser Verteidigungsminister wurde (ebenfalls ein Posten, den Obama jetzt neu besetzen wird müssen). Manch Republikaner träumte gar davon, Petraeus gegen Obama ins Rennen um die Präsidentschaft zu schicken. Petraeus hat derartiges immer zurückgewiesen.

Die Wahlschlacht ist geschlagen. Barack Obama, der auch Florida offiziell mit 50,01 Prozent für sich entschied, wie gestern bekannt wurde, hat sich voll in seine zweite Amtszeit gestürzt. Doch wie erfolgreich kann sie werden? William Buzenberg vom Washingtoner Center for Public Integrity, einem überparteilichem Thinktank, ist zuversichtlich: „In seiner zweiten Amtsperiode kann ein Präsident seine Meinung sagen, weil er nicht an die Wiederwahl denken muss“, sagt er zum KURIER.

Trotzdem könne es Probleme geben: „In seiner ersten Amtsperiode leistete Bill Clinton für die US Wirtschaft gute Arbeit, in der zweiten hatte er mit Monica Lewinsky große Probleme“, so Buzenberg über Clintons Affäre mit der jungen Praktikantin im Weißen Haus. Richard Nixon wiederum habe durch die Watergate-Affäre sein Ansehen verspielt. Solange sich Obama von solchen privaten Skandale fernhalte, könne ihm nichts passieren, so der Analyst.

In den nächsten vier Jahre werde man mehr Übereinkunft mit den Republikanern sehen, meint Buzenberg. Obama habe durch die Wiederwahl an Autorität gewonnen. Wie ernst er es mit einer Kooperation mit seinen politischen Gegnern im Kongress meint, werde seine Personalwahl für das Amt des Finanzministers zeigen. Als Nachfolger Timothy Geithners wird Jacob J. Lew gehandelt. Der jetzige Stabschef im Weißen Haus hat lange Erfahrung im Umgang mit den Republikanern.

„Selten so gut“

Stephen Hess vom Washingtoner Brookings-Institut für politische Analysen zeigt sich viel pessimistischer: „Ich habe keine außergewöhnlichen Erwartungen“, sagt er zum KURIER. Hess hat in den Administrationen von Dwight Eisenhower und Richard Nixon gearbeitet, war Berater von Henry Ford und Jimmy Carter: „Die zweiten Amtsperioden von Präsidenten sind selten so gut wie die ersten.“

Unter Politologen ist das Problem als „der Fluch der zweiten Amtsperiode“ bekannt. Darunter haben viele große US-Präsidenten gelitten – sogar der legendäre George Washington. Wütende Amerikaner protestierten 1794 vor seinem Haus in Philadelphia, weil sie mit seinem Vertrag mit Großbritannien unzufrieden waren. Und Franklin Roosevelt versuchte in seiner zweiten Amtsperiode das ihn behindernde Höchstgericht zu verändern, um die Nation aus der Großen Depression herauszuholen – ohne Erfolg. Die Iran-Contra-Affäre 1986 kratzte die Popularität des charismatischen Ronald Reagan schwer an. Es war bekannt geworden, dass seine Regierung trotz Embargos heimlich Waffen an Teheran verkauft hatte. George W. Bush wiederum scheiterte an der angestrebten Privatisierung der Sozialversicherung.

Misserfolge sind auch oft auf Personalprobleme zurückzuführen. „Präsidenten starten ihre erste Amtszeit mit ihrer besten Mannschaft“, so Hess. Von Obama erwartet sich der Analyst einen Durchbruch nur bei der Immigranten-Frage. „Die Republikaner haben begriffen, dass sie bei der Latino-Wählergruppe einen Fehler begangen haben, also werden sie möglicherweise auf den Zug der Demokraten aufspringen.“

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