Streit ums Geld: China setzt Russland wegen Gaspipeline unter Druck
Erstmals seit Wladimir Putin und Chinas Machthaber Xi Jinping der Welt im Februar 2022 ihre "fast grenzenlose Freundschaft" verkündeten, kracht es zwischen ihren beiden Regierungen öffentlich. Grund dafür ist eine geplante Pipeline, die China mit russischem Gas versorgen soll.
Die Verhandlungen darüber sind aber offenbar derart festgefahren, dass sogar Putin und Xi bei einem persönlichen Gespräch Mitte Mai in Peking versuchten, eine Lösung zu finden.
Seit die russischen Gasexporte nach Europa aufgrund der westlichen Sanktionen eingebrochen sind, plant der teilstaatliche Energiekonzern Gazprom die neue Pipeline "Power of Siberia 2", um die Gasfelder, die einst Europa versorgten, mit dem chinesischen Energienetz zu verbinden.
Ein Milliardenprojekt, das über knapp 2.800 Kilometer verlaufen und rund 50 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr transportieren soll. Und das dem Gazprom-Konzern, der im Vorjahr erstmals fast 6,5 Milliarden Euro Verlust melden musste, wieder wirtschaftlichen Aufwind bescheren würde. Die Gasexporte nach Europa brachen schließlich seit Beginn der Invasion in der Ukraine um rund 90 Prozent ein.
China fordert Gaslieferungen zu denselben Preisen wie innerhalb Russlands
Doch jetzt, wo die Verhandlungen schon weit fortgeschritten sind, versuchen die Chinesen offenbar, den Preis ihrer Gasimporte zu drücken. Wie mehrere in die Verhandlungen involvierte Russen den Financial Times berichteten, drohte Chinas Regierung, den Deal platzen zu lassen, wenn Gazprom das Gas nicht zu ähnlichen Preisen liefere wie an russische Firmen im Inland.
Außerdem, so heißt es, will Peking sich nicht vertraglich dazu verpflichten lassen, die volle Kapazität der Pipeline nutzen zu müssen. Stattdessen wolle man zunächst nur einen Teil des verfügbaren Gases kaufen - und diesen dann erst später erhöhen, wenn man mehr Bedarf habe.
Schon jetzt zahlt China für russische Gasimporte deutlich weniger als andere Länder: Während Gazprom bei seinen Exporten nach Europa ungefähr 34 US-Dollar pro Megawattstunde (MWh) Gas verlangt, sind es in zentralasiatischen Staaten wie Usbekistan nur 17, in China sogar nur 15 Dollar.
Russland hat gar keine andere Möglichkeit, als anzunehmen
Mit ihrer harten Verhandlungstaktik setzen die Chinesen Russland enorm unter Druck - ein Zeichen dafür, dass China im bilateralen Verhältnis zunehmend Oberwasser hat. Denn Russland hat schlicht keine Alternative: Durch die wegfallenden Exporte nach Europa gibt es auf dem Landweg keinen anderen Abnehmer als China, der Gas in annähernd großen Mengen importieren würde.
Auf der anderen Seite ist die Abhängigkeit (noch) nicht so groß. Zwar erhöht sich der Energiebedarf in China weiterhin von Jahr zu Jahr, das Land dürfte aber zumindest bis 2030 noch mit Gasimporten aus bestehenden Verträgen auskommen, wie Forscher der US-Universität Columbia jüngst vorrechneten. Erst bis 2040 wären dann mindestens 150 Milliarden Kubikmeter mehr nötig.
Verkürzt gesagt heißt das: Während Russland für seine Kriegswirtschaft dringend schnelles Geld braucht, kann China auf Zeit spielen, um den besten Deal herauszuschlagen. "Die Zeit ist auf Chinas Seite", erklärt der Russland-Experte Alexander Gabuew vom Berliner Thinktank Carnegie Center gegenüber den Financial Times. "Peking kann abwarten, um die besten Konditionen aus den Russen herauszupressen. Letztendlich hat Russland keine andere Option, als diesen Deal anzunehmen."
Putin versuchte bei seinem Besuch in Peking, mit Xi zu verhandeln
Dass Gazprom-Mitarbeiter sich nun anonym an internationale Medien wenden, ist nur ein Zeichen des Ärgers auf russischer Seite. Bezeichnend war auch der Peking-Besuch Wladimir Putins Mitte Mai: Der Kremlchef wurde von Dutzenden russischen Oligarchen begleitet, etwa der langjährige Strabag-Aktionär Oleg Deripaska. Gazprom-Chef Alexej Miller, einer der mächtigsten Russen überhaupt, kam jedoch nicht mit - zu frostig soll sein Verhältnis zu den chinesischen Verhandlungspartnern gewesen sein.
Das Verhandeln wurde demnach Berichten zufolge zur Chefsache: Der Pipeline-Deal soll eines der drei wichtigsten Themen bei den Vieraugengesprächen zwischen Putin und Xi Jinping gewesen sein, neben neuen Handelsverträgen für sogenannte Dual-Use-Güter und dem Wunsch, dass China der von der Ukraine ins Leben gerufenen Friedenskonferenz in der Schweiz Anfang Juni fernbleibt.
Putins Drängen blieb offenbar wirkungslos, da noch immer keine Einigung in Sicht zu sein scheint. Am Ende dürfte sich aber doch das Recht des Stärkeren durchsetzen und Russland sich auf Chinas Forderungen zubewegen müssen: Russische Banken rechneten im Mai vor, wie Gazprom ohne den Pipeline-Deal mit China zurechtkommen würde - der Konzern würde weiter Verluste machen.
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