Seit Beginn des Ukraine-Krieges im Februar 2022 liefert China große Mengen sogenannter Dual-Use-Güter nach Russland, also auf den ersten Blick unscheinbare Produkte, die aber Bestandteile enthalten, die auch für die Waffenproduktion benötigt werden. Unter anderem Küchengeräte oder Fahrzeugbauteile. Doch zuletzt exportierte China deutlich weniger dieser Waren nach Russland: Im März sank die Zahl der Dual-Use-Güterexporte um 16, im April um 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Schuld ist der Druck vonseiten der USA: Das Weiße Haus warnte die Führung in Peking seit Dezember mehrfach eindringlich davor, dass auch chinesische Banken sanktioniert würden, wenn dieser Handel weitergehen würde. US-Finanzministerin Janet Yellen betonte das zuletzt im April bei ihrem Besuch in der chinesischen Hauptstadt persönlich. Und die Daumenschrauben scheinen zu wirken
Umso wichtiger ist es für Putin, gemeinsam mit Xi neue Wege zu finden, die Sanktionen zu umgehen. Wie wichtig, das macht nicht zuletzt der aufsehenerregende Personalwechsel deutlich, den Putin bei seinem neuen Kabinett am Sonntag verkündet hat: Technokrat Andrej Belusow ersetzt den viele Jahre dienenden Sergei Schoigu als Verteidigungsminister. Belusow kommt aus der Wirtschaft, ist Ökonom - und in China hervorragend vernetzt. In Peking waren übrigens beide an der Seite von Putin zu sehen: sowohl Belusow als auch Vorgänger Schoigu.
Daneben ist die russische Delegation mit hochrangigen Wirtschaftsleuten besetzt, unter anderem Zentralbank-Gouverneurin Elvira Nabiullina, Finanzminister Anton Siluanow, Putins wirtschaftlichem Berater Maxim Oreschkin sowie Igor Setschin, Geschäftsführer des staatlichen Ölkonzerns Rosneft. Selbst der Oligarch Oleg Deripaska ist mitgereist, der lange in einen Aktien-Deal zwischen der österreichischen Raiffeisen-Bank und dem Baukonzern Strabag involviert war, bis dieser in der Vorwoche platzte.
Sie alle dürften bei den Gesprächen mit der chinesischen Führung dabei sein, wenn es darum geht, "gemeinsam neue Möglichkeiten zum Umgehen der US-Sanktionen in einer Art Brainstorming zu erarbeiten, bevor diese im Stillen umgesetzt werden", wie die russische Ökonomin Alexandra Prokopenko in einem Gastbeitrag in den Financial Times schreibt.
Das russische Wirtschaftssystem wurde innerhalb kürzester Zeit auf das chinesische ausgerichtet
In nur etwas mehr als zwei Jahren ist es Putins Regierung gelungen, das russische Wirtschaftssystem deutlich unabhängiger vom US-Dollar zu machen - und dafür umso abhängiger vom chinesischen Yuan. Ende 2023 wickelten russische Banken bereits mehr als ein Drittel aller Geschäfte in Yuan ab, vor dem Krieg gar keine. Zudem übersteigen die Yuan-Reserven der Nationalbank in Höhe von ca. 65 Milliarden Euro inzwischen die Dollar-Reserven.
Um sich vor Sanktionen zu schützen, etablierte das Finanzministerium schon vor Kriegsbeginn ein eigenes, russisches Banken-Kommunikationssystem als Alternative zum international dominanten SWIFT-System. Mit den Sanktionen kam 2022 auch der Ausschluss russischer Banken von SWIFT, das russische System konnte den Schaden nur teilweise abwenden. Stattdessen kommt heute bei Auslandzahlungen vor allem das chinesische System CIPS zum Einsatz. Eigentlich war das nur für Zahlungen zwischen chinesischen Banken zuständig, nahm aber seit 2022 auch 30 russische in sein Netzwerk auf.
Wie sich das in der Praxis auswirkt, zeigt eine Anekdote aus Bangladesch: Die dortige Regierung sei verblüfft gewesen, heißt es, als sie gebeten wurde, für den Bau eines Atomkraftwerks eine Zahlung an die russische Atomenergiebehörde über das chinesische System CIPS in Yuan durchzuführen.
Im Grunde bauen Russland und China hier an einem alternativen Banken- und Zahlungssystem, dem sich in Zukunft auch andere Staaten anschließen könnten, um vor westlichen Sanktionen besser geschützt zu sein. "Indem sie die russische Wirtschaft als Sandkiste nutzen, kann die chinesische Führung hier in Ruhe an einer eigenen finanziellen Infrastruktur feilen", schreibt Prokopenko.
Dieses System dürfte eine große Rolle spielen, wenn es darum geht, westliche Sanktionen zu umgehen. Außenstehenden wie US-Behörden wird es dadurch deutlich erschwert, den Zahlungsverkehr nachzuvollziehen. Vor allem, wenn Produkte darüber von China aus über mehrere Drittstaaten, die nicht sanktioniert sind, durchgeführt werden - etwa in Zentralasien oder dem arabischen Golf.
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