SenseTime ist nicht das einzige KI-Unternehmen, das Programme vertreibt, die digitale Klone von realen Personen erstellen können. Online ist das bereits ab 20 Yuan (2,50 Euro) möglich. Alles, was die Programme dafür benötigen, sind echte Bilder, Ton- oder Videoaufnahmen.
Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig: Online-Streamer erstellen digitale Avatare von sich selbst, um im Zweifelsfall rund um die Uhr unterhalten zu können; einfache Blogs verarbeiten über digitale KI-Moderatoren ihre Artikel zu Videos. Natürlich eignet sich die Technologie auch für sogenannte "Deepfakes" - also Videos, bei denen realen Personen Sätze in den Mund gelegt werden.
Nachfrage nach Avataren von Verstorbenen ist riesengroß
Der Großteil der chinesischen Kunden scheint das Angebot jedoch dafür zu nutzen, digitale Avatare von verstorbenen Angehörigen erstellen zu lassen. Seit mehr als einem Jahr ist die Nachfrage rund um das Qingming-Fest Anfang April besonders hoch, wenn Millionen von Chinesen die eigenen Ahnen ehren.
Normalerweise tun sie das an Gräbern und Schreinen, neuerdings auf dem Smartphone. Auf der chinesischen Plattworb Weibo erzählt Software-Entwickler aus Shenzhen stolz, er habe bereits mehr als 600 Familien dabei geholfen, "mit ihren Liebsten wieder vereint zu sein".
Die Grenzen dieser Technologie sind damit noch lange nicht ausgereizt. Schon jetzt zeigen aufwändigere Aufträge, was künftig möglich sein könnte: Der bekannte taiwanesische Sänger Bao Xiaobai arbeitet seit zwei Jahren akribisch daran, seine 2022 an den Folgen einer Bluterkrankung verstorbene Tochter digital "wiederzubeleben".
"Sie soll in dieser schönen, digitalen Welt weiterleben"
Obwohl er nur eine einzige Videoaufnahme seiner Tochter besitze, gelang es Bao nach "etlichen Versuchen", mithilfe eines KI-Anbieters ein Video zu erstellen, auf dem ein digitaler Klon seiner damals 22-jährigen Tochter das Lied "Happy Birthday" singt. Das Video habe er seiner Frau zum Geburtstag geschenkt - inzwischen arbeite er gemeinsam mit einem KI-Konzern an einem umfassenderen KI-Avatar seiner Tochter.
"Die Leute halten mich für verrückt, aber ich wollte einfach nur wieder ihre Stimme hören", so Bao im Gespräch mit dem chinesischen Magazin Shine. Der Musik-Star werde weiter daran arbeiten, seiner Tochter "ermöglichen zu können, in dieser schönen, digitalen Welt weiterzuleben".
Juristen im In- und Ausland warnen bereits davor, dass die digitalen Avatare etliche rechtliche und ethische Fragen mit sich brächten. So könnte man Hinterbliebenen mit Videos von verstorbenen Angehörigen gezielt "seelische Schmerzen" bereiten, warnt ein anonymer chinesischer Anwalt in einem viralen Weibo-Posting.
Kommentare