Nach US-Zöllen auf chinesische E-Autos: Zieht die EU nach?
US-Präsident Joe Biden verkündete gestern eine Reihe von Importzöllen auf chinesische Güter: Der Preis von Stahl und Alumium aus China werde um 25 Prozent erhöht, Solarpaneele sowie Halbleiter-Chips für die Elektronikindustrie steigen um 50, chinesische Elektroautos sogar um 100 Prozent.
"China ist entschlossen, diese Industrien zu dominieren. Ich bin entschlossen, sicherzustellen, dass Amerika in diesen Branchen eine Führungsrolle einimmt", schrieb Biden im Kurznachrichtendienst X:
Vor allem die Höhe der Elektroauto-Zölle erstaunt, ist aber leicht erklärbar: Während chinesische E-Autos in anderen Teilen der Welt immer öfter auf den Straßen zu sehen sind, spielt der US-amerikanische Markt für chinesische Marken fast keine Rolle - die USA importieren momentan schlicht kaum Autos aus China. Das Weiße Haus verkauft den Schritt deshalb als Vorsichtsmaßnahme, doch viele Beobachter sind sich einig: Die Biden-Regierung will in erster Linie ein Signal an die Verbündeten in Europa senden, selbst mit E-Auto-Zöllen nachzuziehen.
Warum die EU bei der Frage nach Zöllen auf chinesische E-Autos uneins ist
Eigentlich war Europa den USA in der Frage lange voraus: Die EU-Kommission veranlasste schon im vergangenen Herbst eine Untersuchung wegen der gewaltigen Fördersummen, die der chinesische Staat an seine Elektroauto-Hersteller ausschüttet, damit die ihre Wagen im Ausland extrem billig anbieten können. Bis spätestens 4. Juli wird die Kommission bekannt geben, ob diese Subventionen als "marktverzerrend" gedeutet werden können - und damit Zölle rechtfertigen würden.
Vor allem Frankreich macht bei dem Thema Druck. Präsident Emmanuel Macron ist der größte Befürworter der E-Auto-Zölle unter den EU-Regierungschefs; gemeinsam mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warnte er Chinas Präsidenten Xi Jinping bei dessen Besuch in Paris vergangene Woche erneut, im E-Auto-Markt müssten "gleiche Bedingungen für alle" gelten.
Doch nicht alle EU-Mitgliedsstaaten halten das für eine gute Idee. Deutschlands Kanzler Olaf Scholz hatte für das Treffen in Paris abgesagt - obwohl Macron ihn eingeladen hatte. Auch, wenn die deutsche Automobilindustrie auf den ersten Blick massiv von den Maßnahmen gegen die Konkurrenz aus China profitieren würde, ist die Angst der deutschen Autobauer vor chinesischen Gegenmaßnahmen riesig: Marken wie BMW, Mercedes oder VW verkaufen den Großteil ihrer Autos in China, haben teilweise ihre Produktion dorthin ausgelagert.
Sollten die Zölle kommen, muss zudem über die Höhe diskutiert werden. "Seien wir ehrlich: Wir werden die Preise von chinesischen E-Autos nicht um 100 Prozent erhöhen und den Zugang zum europäischen Markt nicht völlig verschließen", sagte ein anonymer französischer EU-Abgeordneter am Mittwoch zum US-Magazin Politico, "aber wir müssen effektiv auf diese unrechtmäßigen Subventionen in China antworten."
Ökonomen gehen davon aus, dass die Kommission Zölle in einer Höhe von 15 bis 30 Prozent anpeilt. Um zu verhindern, dass chinesische E-Autos auch in Zukunft billiger sein werden als europäische, seien jedoch Zölle von bis zu 50 Prozent notwendig, wie das US-Wirtschaftsforschungsinstitut Rhodium Group letzte Woche vorrechnete.
Chinas Autobauer weichen nach Ungarn und Mexiko aus
Hinzu kommt, dass die chinesischen Firmen bereits Maßnahmen getroffen haben, um Importzölle in Zukunft zu umgehen: Sie errichten schon jetzt Fabriken in Mexiko, von wo aus sie dank des Wirtschaftsabkommens NAFTA günstig in die USA exportieren könnten - und wo die Gehälter der Fabriksarbeiter inzwischen sogar noch billiger sind als in China.
Die gleiche Taktik fährt China auch in der EU: Der Autoriese BYD (Build your Dreams) baut schon an einer Fabrik in Ungarn, vergangene Woche verkündete Xi Jinping gemeinsam mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, dass auch GWM (Great Wall Motors) einen Standort im EU-Staat errichten werde - und somit günstige chinesische Autos an den Zöllen vorbei verkaufen könnte.
Die Sorge bei den Zoll-Kritikern ist also groß, dass China den Schaden der Zölle auf seinen E-Auto-Sektor gering halten könnte, während EU-Hersteller durch Gegenmaßnahmen aus dem Reich der Mitte leiden müssten.
Am Ende des Tages kann die EU-Kommission nicht entscheiden, sondern nur vorschlagen, ob und in welcher Höhe die Zölle verhängt werden sollen. Die endgültige Entscheidung fällt der EU-Rat, wo eine qualifizierte Mehrheit notwendig ist, also zwei Drittel der EU-Mitgliedsstaaten zustimmen müssen.
Stand jetzt sieht es nicht so aus, als könnte Deutschland genug andere Länder davon überzeugen, ihr Veto einzulegen. Doch bis dahin ist noch eine EU-Wahl zu schlagen.
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