Einmal mehr zeigt die Volksrepublik, dass es ihr ernst ist mit der Drohung gegen Taiwan, das Peking als Teil seines Territoriums bezeichnet. Dass die Übung nur wenige Tage nach der Amtseinführung des neuen taiwanesischen Präsidenten Lai Ching-te stattfindet, ist kein Zufall: „Jeder, der die Unabhängigkeit Taiwans anstrebt, wird durch den historischen Prozess der vollständigen Wiedervereinigung Chinas zerschmettert werden“, sagte der Sprecher des chinesischen Außenamtes.
"Harte Strafe"
Lai Ching-tes Demokratische Fortschrittspartei (DPP) hatte im Jänner die Präsidentschaftswahl gewonnen und steht für eine Unabhängigkeit Taiwans, obwohl Lai bisher nicht andeutete, diese offiziell erklären zu wollen. „Die Übung ist auch eine harte Strafe für die separatistischen Kräfte einer Unabhängigkeit Taiwans und eine ernsthafte Warnung gegen Einmischung und Provokation durch externe Kräfte“, sagte der Sprecher des Militärbezirks Ost, Marine-Oberst Li Xi.
China sieht Taiwan offiziell als seine 23. Provinz an, die lediglich von Unterdrückern besetzt sei. So wird es auch in chinesischen Schulbüchern gelehrt.
Hinter dem großen Verlangen danach, sich Taiwan einzuverleiben, steckt aber deutlich mehr als reiner Nationalstolz. Vielmehr wird die Kontrolle über die Insel in Peking als absolut notwendig gesehen, um endgültig zu einer Weltmacht aufzusteigen.
Ziel ist es, die Vorherrschaft der USA zu brechen
Das große Ziel in Peking ist es aber, die Vorherrschaft der USA in der gesamten Pazifikregion einzuschränken und somit langfristig als mächtigste Nation der Welt abzulösen.
Das große Problem dabei aus der Sicht Pekings: Der direkte Zugang zum Pazifik ist eingeschränkt. Neben mehreren japanischen Inseln wie Okinawa wird der Seeweg eben durch Taiwan versperrt. Die Eroberung der Insel ist somit aus Sicht der chinesischen Strategen der wichtigste Schritt auf dem Weg zur globalen Seemacht.
Das wollen die USA, die sich bereits unter Barack Obama gen Osten gewandt haben, verhindern. Klar ist aber: Sollte ein chinesischer Angriff auf Taiwan stattfinden, müssten die USA so rasch als möglich zur Hilfe kommen – und in eine direkte Konfrontation mit der Volksbefreiungsarmee eintreten.
China hat Zeit
Abgesehen von massiven Verlusten auf beiden Seiten wären auch die wirtschaftlichen Folgen für die gesamte Welt verheerend. Das Washingtoner Zentrum für internationale und strategische Studien (CSIS) kam in einem Anfang 2023 veröffentlichten Bericht zum Schluss, dass eine Invasion Taiwans durch China im Jahr 2026 unwahrscheinlich sei, wenn vier Punkte zuträfen: Taiwan müsse sich entschlossen wehren, die USA müssten „innerhalb weniger Tage und mit dem vollen Umfang ihrer Fähigkeiten in die Feindseligkeiten eingreifen“. Die USA müssen über ausreichende Stützpunkte in Japan verfügen und benötigen eine „ausreichende Zahl an Anti-Schiff-Raketen“.
Aufgrund der massiven Konsequenzen, die ein Angriff auf Taiwan hätte, gilt es für die kommenden Jahre als unwahrscheinlich, dass China tatsächlich einen Angriff unternimmt. Der Ton Pekings verschärft sich jedoch und lässt keinen Zweifel daran, was das mittel- bis langfristig gesetzte Ziel der Volksrepublik ist. Es ist stärker anzunehmen, dass China vor einem Angriff alle anderen Felder ausreizt: Von wirtschaftlichem Druck über psychologische Kriegsführung bis hin zu weiteren Versuchen, Peking gewogenere Parteien zu stärken.
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