Chinas neuer 5-Jahres-Plan - was das für Europa und Österreich bedeutet

Das altehrwürdige Jingxi-Hotel im Westen Pekings ist wieder einmal schwer bewacht. Bis Donnerstag bleiben die umliegenden Boulevards abgesperrt, Polizisten und Soldaten der Volksbefreiungsarmee sorgen dafür, dass die knapp 400 ranghöchsten Mitglieder der kommunistischen Partei bei ihrer wohl wichtigsten Strategiesitzung ungestört bleiben.
Seit Montag tagt hier das sogenannte Vierte Plenum des Zentralkomitees, bei dem Machthaber Xi Jinping gemeinsam mit seiner erweiterten Führungsriege einen neuen Fünfjahresplan für die chinesische Wirtschaft beschließen wird.

Einfahrt zum Jingxi-Hotel in Peking, in dem sich die Führungsriege der Kommunistischen Partei ein- bis zweimal im Jahr zu ihren Plenen versammel.t
Der Zeitpunkt ist heikel wie selten zuvor: Ausgerechnet am Eröffnungstag des Plenums gab die Regierung bekannt, dass Chinas Wirtschaft im dritten Quartal um 4,8 Prozent gewachsen ist. Es ist der niedrigste Wert seit mehr als einem Jahr – und liegt unter dem vorgegebenen Jahresziel von fünf Prozent Wachstum.
Vor allem der schwache Konsum bleibt ein Problem: Viele Chinesen sind verunsichert wegen der anhaltenden Immobilienkrise, der hohen Jugendarbeitslosigkeit und des Handelskonflikts mit den USA.
Warum wir Chinas Fünfjahrespläne in Europa spüren
Ein Fünfjahresplan ist eigentlich das perfekte politische Mittel, um hier entgegenzusteuern. Zwar ist das moderne China keine kommunistische Planwirtschaft mehr, doch noch immer werden die Politiker des Landes in erster Linie danach bewertet, wie gut sie die festgeschriebenen Ziele umsetzen.
Anders als früher sind diese Ziele heute meist so formuliert, „dass sie Interpretationsspielraum offenlassen“, sagt Alexander Brown vom Berliner Mercator-Institut für Chinastudien (MERICS). „Inzwischen ist es sogar ausdrücklich erwünscht, dass die Provinz- und Lokalregierungen eigene Prioritäten setzen.“
In der Praxis führt das zu einem extrem umkämpften Markt, weil die einzelnen Provinzen – meist größer als europäische Staaten – versuchen, einander beim Erreichen der Ziele zu übertreffen. Jeder Fünfjahresplan birgt also das Potenzial, den chinesischen Markt völlig umzuwälzen.
Welche enormen Auswirkungen das auf Europa haben kann, zeigt der noch gültige, 14. Fünfjahresplan, beschlossen im Jahr 2021. Damals forderte die Parteispitze den Ausbau der Industrie. Chinas Provinzen nahmen Riesenkredite auf und gaben Unsummen an Fördergeldern aus, um sich in ihren Produktionszahlen zu überbieten.
Die Folgen wiegen schwer: Chinesische Firmen produzieren heute doppelt so viele E-Autos, Batterien und Windkraftturbinen wie vor fünf Jahren. Die Nachfrage im Land stieg jedoch nicht im selben Tempo, weshalb vor allem der europäische Markt mit günstigen chinesischen Produkten geflutet wurde und Europas Autoindustrie massiv unter Druck geriet.
Das steht wohl im neuen Fünfjahresplan
Die Parteispitze scheint das Problem dieser Überkapazitäten erkannt zu haben: Der Entwurf des neuen Fünfjahresplans enthält erstmals einen Passus zur „Risikominderung in der Industrie“. „Es sieht so aus, als wolle Peking das Wirtschaftsmodell mittelfristig verfeinern“, sagt MERICS-Experte Brown, „soweit das eben möglich ist.“
Darüber steht jedoch das Ziel, China zur technologischen Weltmacht zu machen. Bis 2030 dürfte die Partei Investitionen in der Forschung und Entwicklung von „Zukunftstechnologien“ wie Künstlicher Intelligenz und Halbleiterchips einfordern.
In diesen Feldern will Xi Jinping sein Land unabhängig von westlichen Exporten machen – und damit von Zöllen und Exportbeschränkungen. Der Wettbewerb mit Europa, vor allem aber den USA dürfte sich damit zuspitzen.
Als dritten Schwerpunkt beinhaltet der Entwurf etliche Sozialmaßnahmen, um die chinesische Wirtschaft wieder anzukurbeln. Vor allem eine Erhöhung der Pensionen für die Landbevölkerung sowie Zuschüsse für Familien mit mehreren Kindern sollen zu mehr Konsum führen. Das wird teuer für die stark verschuldeten Provinzen.
Doch für Xi Jinping steht viel auf dem Spiel: Er muss seinem verunsicherten Volk beweisen, dass Chinas System eines von der Partei gesteuerten Kapitalismus auch in Krisenzeiten stabil bleiben kann.
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