Einkaufen, selbst im Supermarkt oder in der Apotheke, verboten, frische Luft schnappen nur zwischen sieben und halb neun Uhr morgens. Lockdown-geprüfte Österreicher dürfen sich regelrecht in Freiheit fühlen, wenn sie ihren Alltag mit jenen der Chilenen vergleichen, dort hat die Regierung erst am vergangenen Wochenende die dicht bevölkerten Teile des Landes zugesperrt.
Ein Schritt, der allein durch die völlig überlasteten Intensivstationen notwendig wurde – und dort lagen auch Patienten, die dort niemand mehr erwartet hatte: Jene, die bereits eine Corona-Impfung bekommen hatten.
Das Coronavirus in Südamerika: Zwischen Wahl-Verschiebung und Verschwörungstheorien
Vor einigen Wochen noch feierten internationale Medien Chile als Impfweltmeister. Inzwischen rätselt man über den „chilenischen Widerspruch“. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung hat inzwischen zumindest eine Corona-Impfung bekommen, doch die Verbreitung des Virus hat sich trotzdem beschleunigt. „Das Virus ist weiter unterwegs“, erläutert eine Medizinerin gegenüber der Deutschen Welle: „Die Impfung ist nur ein Werkzeug gegen die Epidemie, es verhindert die meisten schweren Erkrankungen, nicht die Ausbreitung.“
Ein Grund für den enttäuschenden Erfolg der Impfkampagne ist der hauptsächlich eingesetzte Impfstoff: Sinovac ist ein Produkt aus China, ein konventionell hergestellter Impfstoff, also etwas grundsätzlich anderes als etwa jener von Pfizer/Biontech. Der chinesische Hersteller lieferte zehn Millionen Dosen nach Chile, auch um so zu notwendigen Studiendaten zu kommen.
Die medizinische Universität in Santiago liefert jetzt enttäuschende Daten über die Wirksamkeit. Nach zwei Impfdosen beträgt die Schutzwirkung gegen eine Erkrankung gerade einmal 54 Prozent. Nach einer Impfung beträgt die Wirkung im ersten Monat nicht mehr als drei Prozent. Dazu kommt, dass der ausgesprochen unpopuläre rechte Präsident Sebastian Pinera die Impfkampagne auch für Propagandazwecke ausschlachtete.
Man veröffentlichte eine Erfolgsmeldung nach der anderen und öffnete mitten in der Sommersaison, also im Dezember, nicht nur das ganze Land, sondern ermunterte die Menschen auch noch, auf Urlaub und an den Strand zu gehen. Angesichts der erschreckenden Zahlen verteidigt sich Pinera: Er habe seine Landleute immer aufgefordert, sich vorsichtig zu verhalten.
Kehrtwende in Brasilien
Merklich kleinlaut ist inzwischen auch Brasiliens Staatschef Jair Bolsonaro geworden. Der Rechtspopulist, der im Kielwasser von Donald Trump über Monate die Gefahr kleinredete und sich weigerte, konsequente Maßnahmen durchzusetzen, sieht jetzt sein Land in der aktuellen Corona-Welle regelrecht versinken. Mehr als 4.000 Tote pro Tag sind mehr als es in den USA am dortigen Höhepunkt der Pandemie gab.
Dazu kommt, dass die soziale Lage viele Brasilianer nicht nur mit einer völlig unzureichenden medizinischen Versorgung zurücklässt, sondern sie auch zwingt, trotz aller Vorsichtsmaßnahmen ihrem Job nachzugehen und sich so anzustecken. Bolsonaro verweigert auch deshalb einen harten Lockdown. Was würde denn, argumentiert er, aus einem Straßenverkäufer oder einer Putzfrau, die Geld verdienen müssten? Einer Tatsache aber sieht der Präsident erstmals ins Auge: „Der Virus ist eine Realität – und eine der größten Herausforderungen unserer Generation.“
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