Charles III: Der Prinz, der zu viel wollte, wird als König unberechenbar
70 Jahre, so lange hat noch nie ein britischer Thronfolger darauf gewartet, dass er endlich als Regent in den Buckingham Palast einziehen konnte. Charles – also genauer gesagt Charles Philip Arthur George – rückte als Dreijähriger offiziell zum Thronerben auf. Einmal gefragt, wann ihm denn klar geworden sei, dass er eines Tages auf dem Thron sitzen werde, meinte Charles, das sei nicht plötzlich passiert: „Es ist mir gedämmert – schrecklich und unerbittlich.“
Kein schneidiger Kadett
Charles hat lange gebraucht, um in auch nur eine Rolle hineinzuwachsen, die ihm das Königshaus zudachte. Für seinen Vater Philip sollte er den schneidigen, sportlichen Kadetten spielen: Er scheiterte daran, wurde in der Schule zum gehänselten Außenseiter, der sich lange nicht eingestehen konnte, dass er sich mehr für Kunst und klassische Musik als für Sport und Schießkünste interessierte.
Sein Großonkel, Lord Mountbattten, ließ ihn als jungen Mann zum Playboy stilisieren, kümmerte sich darum, dass er reichlich Umgang mit jungen Damen hatte – und gab dann öffentlich mit dem Liebesleben seines Großneffen an: Der würde quasi von einem Bett ins nächste steigen.
Keine Liebesheirat
Charles wurde auch dieser Rolle nicht gerecht. Denn die Bürgerliche Camilla Shand, die ihm Mountbatten als „lehrreiche Erfahrung“ vermittelte, sollte schon mit 23 Jahren seine große Liebe werden. Sie ist es bis heute geblieben. Doch als Ehefrau und zukünftige Königin kam Camilla damals nicht infrage. Sie ging eine Pflichtheirat mit einem Kavallerieoffizier ein.
Mit der jungfräulichen Adeligen Diana Spencer, die man schließlich als perfekte Königin für Charles aussuchte, konnte er nichts anfangen. Sie, die zwölf Jahre jünger war und sich grundsätzlich für völlig andere Dinge interessierte als er, blieb ihm über 15 Jahre zerstörerische Ehe bis zur Scheidung 1996 fremd. Charles soll vor Wut über die ihm aufgenötigte Verbindung noch am Abend vor seiner Hochzeit in Tränen ausgebrochen sein.
Eigene Interessen
Doch so schwer es der Thronfolger hatte, sich in all die Rollen einzufinden, die ihm das Königshaus und seine ihm fremdgebliebenen Eltern zudachten, so sehr hat er sich in all den Jahrzehnten in Warteposition seine eigene Rolle zurechtgelegt.
Charles kümmerte sich um seine Interessen: Um ökologischen Landbau, fremde Religionen, wie etwa den Islam, Alternativmedizin oder um die drohende Klimakatastrophe. Die zu verhindern ist inzwischen sein wichtigstes Anliegen geworden. Und nicht nur um dieses hat Charles, je älter, gelassener und selbstbewusster er wurde, mit wachsender Entschlossenheit gekämpft.
Die schwarze Spinne
Wie und wo der Thronfolger das tat, ist nicht nur durch seine zahlreichen Biografen ausführlich dokumentiert, sondern vor allem durch die Enthüllungen der renommierten Tageszeitung The Guardian vor einigen Jahren. Unter dem Titel „Die Schwarze-Spinne-Protokolle“ veröffentlichte das Blatt nach jahrelangem Rechtsstreit die internen Berichte der britischen Regierung über Charles’ Lobbying-Aktivitäten.
Dutzende Minister waren von ihm über Jahre mit seinen Anliegen und Vorschlägen förmlich bombardiert worden. Charles war nachdrücklich, er war fordernd, aber er war, wie es ein britischer Historiker formulierte, „immer gehaltvoll, verantwortlich und anständig“. Der Skandal blieb aus, vielmehr entstand ein neues Bild von Charles – und dieses Bild hat sich in den jüngsten Jahren nur noch weiter verfestigt.
Charles, so schreibt seine Biografin Catherine Mayer, sei „ein Mann mit einer Mission, ein Ritter auf einem Feldzug“, und die wichtigsten dieser Missionen seien: „der uns anvertraute Planet und die Monarchie.“
Auch was das Königshaus anbelangt, sind die von Charles so lange gehegten Pläne nicht mehr geheim. Er will die Monarchie schlanker machen, weniger pompös und vor allem billiger. Gerade die in Großbritannien derzeit grassierende Krise könnte dazu eine Gelegenheit sei. Schließlich, so soll es Charles oft gegenüber Vertrauten deutlich gemacht haben, sei all dieser Pomp eigentlich nicht mehr zu verantworten, während in vielen Regionen des Landes Not herrsche.
Den Bruder vom Balkon verbannt
Schon die Feierlichkeiten zum Diamantenen Jubiläum seiner Mutter im Jahre 2012 ließen Insider ahnen, dass Veränderungen ins Haus standen. Charles, der das ganze Spektakel organisiert hatte, hatte demonstrativ die Anzahl der Familienmitglieder, die auf dem Balkon des Buckingham Palastes den Menschen zuwinken durften, drastisch reduziert.
Selbst Bruder Andrew war ausgeladen worden. Der Skandal um dessen Missbrauchsaffäre, der erst viele Jahre später bekannt wurde und das Königshaus nachhaltig erschütterte, gab Charles die Gelegenheit zu handeln.
Und er handelte. Die Entscheidung, den Untäter Andrew von allen königlichen Pflichten und Privilegien zu entbinden, ihn damit quasi aus der Öffentlichkeit zu entfernen, soll Charles mit allem Nachdruck durchgesetzt haben.
Doch nicht nur beim königlichen Personal, auch bei der Hofhaltung und bei vielen Zeremonien soll gekürzt werden. Charles soll sogar die Idee verfolgen, den Buckingham Palast in London nicht mehr als Residenz zu nutzen, sondern nur noch Schloss Windsor. Auch die großzügige Verleihung königlicher Orden und Auszeichnungen soll beschränkt werden.
Wird also Charles, wie manche Beobachter des Königshauses erwarten, ein „aktivistischer“ König, einer, der seine Position nützt, um eigene Anliegen zu vertreten? Das wäre nach der Regentschaft seiner Mutter, die es sich zum Prinzip gemacht hatte, niemals eine eigene Meinung zu äußern, eine Kehrtwende für die Monarchie.
Theoretisch steht Charles dieses Recht zu, praktisch droht er damit anzuecken, Unmut zu erzeugen, den er – zumindest am Beginn seiner Regentschaft – nicht brauchen kann. Also hat Charles selbst vor einiger Zeit gegenüber der BBC Entwarnung gegeben: „Ich bin doch nicht dumm. Mir ist klar, dass es eine ganz andere Aufgabe ist, Regent zu sein. Ich weiß, wie ich zu handeln habe.“
Theoretisch mächtig
Das sogenannte „royal prerogative“, das dem Monarchen die Letztentscheidung bei der Ernennung von Ministern, der Regierung oder sogar der Einsetzung und Auflösung des Parlaments gibt, ist seit Jahrhunderten nur noch graue Theorie
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Der Regent kann Lords als Mitglieder des Oberhauses ernennen, tut dies jedoch nur in Absprache mit der Regierung. Zudem schlägt der Monarch verdiente Bürger zum Ritter. Dazu legt die Regierung ihm alljährlich eine Liste mit Nominierten vor
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