Die Monarchie wird gebraucht

Die Monarchie wird gebraucht
König Charles III hat nicht den Bonus, den sich seine Mutter über 70 Jahre erwarb – aber er muss ihr ein guter Nachfolger werden
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

Die Welt dreht sich immer schneller. Im übertragenen Sinn, und physikalisch, wie wir seit Kurzem wissen, auch. Dennoch gibt es immer noch Fixpunkte, ohne die sich die Welt scheinbar gar nicht drehen kann:   Als Angela Merkel Ende vergangenen Jahres in Pension ging, hatte eine ganze Generation nie jemanden anderen als deutsche Kanzlerin erlebt. Um jemanden anderen als Elizabeth II bewusst als britische Königin erlebt zu haben, muss man schon gut über 80 sein – für vier Generationen danach gab es kein Großbritannien ohne sie.

Jetzt gibt es das doch. „London Bridge is down“, der Code für das Unvorstellbare, musste ausgegeben werden, als die Queen am Donnerstag friedlich entschlafen war. Und gleich noch einer wurde mitgeschickt: die aus dem Französischen stammende Heroldsformel „Der König ist tot, es lebe der König“ – der Buckingham Palast titulierte Sohn Charles noch am Abend als König.

Auf ihm lastet nun die Aufgabe, die Monarchie zu retten, sie „zukunftsfit“ zu machen, wie das für Traditionalisten und Puristen so unschön heißt. Denn eine unabdingbare, heiße Liebe zum Königshaus empfinden die Briten, vor allem die jüngeren, schon lange nicht mehr. Eher eine große Sentimentalität und, viel wichtiger: Dankbarkeit, dass die Königin so viel zusammengehalten und überdauert hat – vom Beitritt zur EWG bis zum Brexit aus der EU, vom Nordirland-Terror bis zu den innenpolitischen Umwälzungen der Thatcher- und später Blair-Jahre, von den Kalamitäten im Königshaus selbst gar nicht zu reden. Die Queen war immer da, sie hat nicht gestaltet, aber verwaltet, vor allem das Stabilitätsgefühl der Briten.

König Charles III, man muss sich erst gewöhnen an diese Bezeichnung, hat diesen Bonus nicht. Das liegt auch an seiner, in der Netflix-Serie „The Crown“ gnadenlos dokumentierten Vergangenheit als verklemmter Philip-Sohn und Diana-Betrüger. Dabei ist der Thronfolger ein hoch intelligenter, viel modernerer Aristokrat (Stichwort: Umwelt und Nachhaltigkeit), als viele meinen. Und eine im Alter nach seinem Vater geratende liebenswerte Volksnähe und Schrulligkeit macht ihn zunehmend breitenwirksam.

Muss er die Monarchie überhaupt retten – indem er sie verschlankt, von royalen Profiteuren befreit, sie politischer im Sinne von Engagement und Positionierung macht? Ist sie nicht so oder so aus der Zeit gefallen, teuer, ein Anachronismus in der sich immer schneller drehenden Welt? Ja, ist sie. Na und? Wenn sich eine Nation die Monarchie leisten mag und sie eine Art Anker ist, um bei den immer schnelleren Drehungen nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren, wenn sie Verlässlichkeit gibt, wo auf nichts mehr Verlass ist, dann ist sie es wert, gerettet zu werden. Man möchte König Charles viel Glück dabei wünschen.

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