Chance für Wulffs Rehabilitierung steigt

14 Monate nach seinem Rücktritt drängt der deutsche Alt-Präsident auf Ende des Verfahrens gegen ihn.

Am Montag trafen sich die Verteidiger Christian Wulffs mit den Staatsanwälten zu einem wichtigen Termin: Sie verhandelten darüber, ob der frühere deutsche Bundespräsident Christian Wulff mit einer Geldbuße von 20.000 Euro einen juristischen Verdacht aus der Welt schafft – oder statt dessen einen langen Gerichtsprozess mit offenem Ausgang riskiert. Vieles deutete gestern darauf hin, dass Wulff sich beides ersparen und zumindest juristisch bald voll rehabilitiert sein könnte.

14 Monate lang hat die Staatsanwaltschaft Hannover gegen ihn wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Vorteilsnahme im Amt als Ministerpräsident von Niedersachsen ermittelt, der er vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten 2010 gewesen war. Nach Einleitung der Untersuchung war Wulff zurück getreten, hatte aber immer jede Verfehlung entschieden dementiert.

Die Prominenz des Falles ließ die Hannoveraner Justiz zu gigantischen Ermittlungen greifen: Vier Staatsanwälte und 24 Kriminalbeamte wühlten tief in der Amtsführung, der Privatsphäre und dem Umfeld Wulffs, um 22 Vorwürfe, großteils anonym oder in der Presse, zu verifizieren. Dies empfanden nicht nur seine Verteidiger als unverhältnismäßig, auch der Großteil der medialen Öffentlichkeit kritisierte den Aufwand. Der Verlust des Amtes und die für Wulff nervenzehrenden Ermittlungen führten zur Trennung von seiner zweiten Frau Bettina, mit der er als Bundespräsident eine bis dahin unbekannte Glamour-Rolle in den Medien gespielt hatte.

Dünne Beweise

Das Ergebnis der Ermittlungen ist aber äußerst mager: Die Staatsanwälte vermuteten zuletzt nur, dass Wulff sich 2008 vom Berliner Filmproduzenten David Groenewold ein 700 Euro teures Höherstufen eines Hotelzimmers in München zahlen ließ. Im Gegenzug habe er auf offiziellem Ministerpräsidenten-Papier bei der Firma Siemens eine Zuwendung zu Groenewolds Filmprojekt über einen historisch interessanten Siemens-Manager befürwortet.

Groenewold stritt den Zusammenhang ab: Die Gefälligkeit für seinen alten Bekannten Wulff sei ohne dessen Wissen geschehen. Groenewold, dem die Staatsanwaltschaft ebenfalls eine Buße statt eines Prozesses angeboten hatte, lehnte die ab. Er will im Prozess seine und Wulffs Unschuld beweisen.

Wulffs Verteidiger sollen inzwischen einen Zeugen aufgeboten haben, der das Interesse Wulffs an dem Film schon viel früher bestätige. Fachjuristen schätzten die Stellung der Staatsanwaltschaft daher als schwach ein: Es sei nicht einmal sicher, ob das Landgericht in Hannover bei dieser Beweislage einen Prozess eröffne. Dies sei der Grund für das Buße-Angebot des Staatsanwalts, der damit seinen eigenen Ruf wahren möchte.

Weitere Bedenkzeit

Dass am Montag die mittlerweile sozialdemokratisch regierte Staatskanzlei in Hannover einen solchen Bettelbrief des Ministerpräsidenten öffentlich als „Routinehandeln“ bezeichnete, entschärft den Akt nun auch politisch. Damit könnte Wulff Strafzahlung und Prozess erspart bleiben. Seine politisch äußerst unglücklichen Reaktionen auf die Verdächtigungen in den Medien haben ohnehin sein Berufs- und Privatleben völlig zerstört – abgesehen von der Präsidentenpension von 200.000 Euro/Jahr. Wulffs Anwälte haben noch etwas Bedenkzeit ausgehandelt.

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