CETA: Trudeau kommt nicht ins EU-Parlament

Kanadas Premierminister Justin Trudeau
Noch immer gibt es keine Klarheit über den EU-Kanada-Gipfel am Donnerstag. Die Verhandlungen in Belgien gehen weiter.

Der kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau wird am Mittwoch nicht im EU-Parlament in Straßburg auftreten. Die ursprünglich angesetzte Rede vor den Europaabgeordneten wurde abgesagt, war Mittwoch früh aus Parlamentskreisen in Straßburg zu hören. Vorgesehen war auch eine Debatte mit den Fraktionschefs. EU-Ratspräsident Donald Tusk will trotz der bisher gescheiterten Verhandlungen an dem EU-Kanada-Gipfel am Donnerstag festhalten. In EU-Ratskreisen wurde Mittwoch früh betont, dass es keine Absage des Gipfels gebe.

Reynders: "Gute Fortschritte"

Unterdessen wurden Mittwoch früh ab 08.00 Uhr die innerbelgischen Verhandlungen über eine Zustimmung zum europäisch-kanadischen Handelsabkommen CETA fortgesetzt. Dienstag spät abends waren sie nach sechsstündigen Gesprächen ohne Einigung unterbrochen worden. Die belgische Region Wallonie mit ihrem Regierungschef Paul Magnette ist weiterhin gegen CETA und fordert Nachbesserungen, aber vor allem Zeit.

Der belgische Außenminister Didier Reynders berichtete Mittwoch von "guten Fortschritten" berichtet. Laut RTBF sei eine neuerliche Sitzung für 15.00 Uhr anberaumt. Ziel sei, doch noch eine gemeinsame belgische Haltung mit der bisher ablehnenden Wallonie zu finden, um Donnerstag das EU-Kanada-Handelsabkommen unterzeichnen zu können.

Magnette erklärte: "Wir haben neue Vorschläge der EU-Kommission erhalten, die in die Richtung unserer Vorschläge gehen". Jetzt werde geprüft, um "baldigst" wieder darüber reden zu können. Der Sozialdemokratische Premier erklärte weiters, "wir haben das Gefühl, man beginnt uns zu verstehen. Aber es wird weiter verhandelt."

Heiße Debatte im EU-Parlament

Die Entwicklung um CETA beherrschte auch großteils die EU-Parlamentsdebatte am Mittwoch. Die Einstellung der Mandatare schwankte zwischen der Forderung nach deutlicher Zustimmung durch ein Nachgeben der belgischen Region Wallonie bis zu einer strikten Ablehnung des EU-Kanada-Handelsabkommens.

Der Vorsitzende der EVP, Manfred Weber, sieht die Schuld am bisherigen Scheitern einer Einigung vor allem bei den EU-Staaten. Es sei ein "Versagen" der Länder, beim EU-Gipfel im Juli das Abkommen zu einem gemischten und nicht rein europäischen erklärt zu haben. "In der Zukunft müssen Europathemen auch im Europaparlament verantwortet werden und sonst nirgends." Weber appellierte an die Sozialdemokraten, sich auch zu CETA zu bekennen und führte Österreichs Kanzler Christian Kern an. Wenn CETA oder auch die Migration durch nationale Egoismen blockiert würden, dann scheitere Europa.

Gianni Pittella von den Sozialdemokraten sprach von einer "Doppelmoral", wenn zwar die Wallonen angeklagt würden, CETA zu blockieren, "aber (der ungarische Premier Viktor) Orban nicht dafür getadelt wird, dass er keine Migranten haben will". Es gehe bei CETA nicht um eine ideologische Ablehnung durch die Wallonen, sondern nur um die Klärung positiver Rückfragen.

Syed Kamall von den Konservativen und Reformern ortete Schwächen und Unentschlossenheit auch bei CETA in den vergangenen Wochen. Wenn man nicht einmal mit Kanada ein Abkommen erzielen könne, das ähnliche Umwelt- und Sozialstandards wie die EU habe, gebe es kaum Hoffnung für Vereinbarungen mit dem Rest der Welt. Auch Kamall warf dem EU-Gipfel vor, weder Aktionen noch Klarheit geliefert zu haben, deshalb dürfe man nicht überrascht sein, von den Wählern wieder abgestraft zu werden.

Glaubwürdigkeit der EU

Die liberale Abgeordnete Sophia In'T Veldt stimmte überein, dass der "Rat völlig unfähig ist, Entscheidungen zu treffen". Bei CETA gehe es auch darum, dass mehr Zeit notwendig sei. "Das Ergebnis ist wichtig, nicht das Datum." Jedenfalls sei die Glaubwürdigkeit der EU deutlich beeinträchtigt. "Die Gewinner dieser Episode sind nicht die Landwirte der Wallonie, sondern China, Russland und andere Länder. Die werden die Standards bestimmen und nicht Europa."

Neoklis Sylikiotis von der Vereinigten Linken warf den EU-Staaten eine heuchlerische Politik vor. Dies betreffe nicht nur CETA, sondern auch das Verhalten gegenüber Russland sowie die Migrationsfrage. In der Flüchtlingspolitik werde die Türkei gelobt und zu einem sicheren Herkunftsland erklärt, während dort ein autoritäres Regime Menschenrechte und Freiheit mit Füßen trete. Zu CETA merkte er an, dass die Ablehnung der Wallonie erfreulich sei und für die Würde Europas spreche.

Der grüne EU-Abgeordnete Philippe Lambertz sprach von einem "Alarmschrei" bei CETA. Die Politik entferne sich insgesamt immer mehr von den Menschen. Die Wallonie sei bei CETA auch nicht isoliert. 500 Städte und Gemeinden in Europa hätten sich gegen CETA und TTIP ausgesprochen. Dem gegenüber reagiere die Kommission mit einem entrüsteten Schreiben an den wallonischen Premier Paul Magnette, betreibe Einschüchterung und gebe nur zwei Tage Zeit zur Entscheidung. Freihandel solle erzwungen werden, doch gelte es zu bedenken, dass ein "Nein in Wallonien zu CETA ein Ja für ein Europa der Bürger" sei.

Rundumschlag von EU-Gegner Farage

Nigel Farrage von der EFDD (Europa der Freiheit und Direkten Demokratie) versuchte wieder einmal einen Rundumschlag gegen die EU. Er meinte zu CETA, dass die EU einfach nicht bereit für ein fortschrittliches Abkommen sei. Deshalb sei auch der Brexit so wichtig. Es gebe Handelsabkommen, die mit keiner Freizügigkeit im Personenverkehr verbunden seien, wobei er auf Mexiko verwies.

Marine Le Pen von der rechtspopulistischen ENF (Europa der Nationen und Freiheit) sprach von einer unwürdigen Vorgangsweise der EU bei CETA. Man könne nicht sagen, dass die Wallonie CETA blockiere. "Das sind die einzigen, die sich überhaupt äußern durften. Die haben die Ablehnung der Mehrheit der Bevölkerung verstanden, die eine katastrophale Freihandelspolitik ultraliberalen Zuschnitts ablehnt."

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