Bulgarien-Wahl: Borissow-Partei GERB trotz Verlusten auf Platz eins

Bulgarien-Wahl: Borissow-Partei GERB trotz Verlusten auf Platz eins
„Absolute“ aber verfehlt. Protestpartei von Sänger Trifonow überraschend stark, Duell mit Sozialisten um Platz zwei. Schwierige Regierungsbidung erwartet.

In der von der Coronapandemie überschatteten Parlamentswahl in Bulgarien ist die Partei des langjährigen konservativen Regierungschefs Bojko Borissow offenbar mit einem blauen Auge davon gekommen. Borissows Partei GERB (Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens) wurde am Sonntag laut vorläufigen Ergebnissen mit etwa 24 Prozent der Stimmen erneut stärkste Kraft. Sie verbuchte aber deutliche Verluste, wohingegen mehrere Protestparteien Zustimmung ernteten.

Laut den Nachwahlbefragungen hätte die Regierungspartei rund neun Prozentpunkte im Vergleich zur Wahl im Jahr 2017 verloren. Für verbreitete Unzufriedenheit der Wähler sprach auch, dass die neue populistische Protestpartei des Sängers und Fernsehmoderators Slawi Trifonow deutlich besser abschnitt als vorausgesagt.

Seine Formation namens "Es gibt ein solches Land" kam auf 19 Prozent und hängte damit die oppositionellen Sozialisten klar ab. Die Nachfolgeorganisation der einst staatstragenden kommunistischen Partei kam lediglich auf 15 Prozent Die Bewegung für Rechte und Freiheit der türkischen Minderheit in Bulgarien, die häufig Königsmacherin im Parlament ist, belegte mit elf Prozent der Stimmen den Rang hinter den beiden Partien.

Zwei Parteien, die besonders die Teilnehmer der regierungskritischen Proteste vom vergangenen Jahr angesprochen hatten, kamen insgesamt auf rund 15 Prozent der Stimmen. Es handelt sich um das rechtsgerichtete Bündnis Demokratisches Bulgarien von Hristo Iwanow und das linksgerichtete Bündnis Steh auf! Mafia raus!, das Staatschef Rumen Radew nahesteht. Die Vier-Prozent-Hürde überwand offenbar auch die nationalistische WRMO-Partei, die im Wahlkampf mit einer aggressiven Kampagne Stimmung gegen Roma, Homosexuelle und das Nachbarland Nordmazedonien gemacht hatte.

Borissow ist in Bulgarien seit 2009 fast durchgehend an der Macht. Der Rückhalt für den 61-jährigen Ex-Leibwächter des letzten kommunistischen Staatschefs Todor Schiwkow litt allerdings zuletzt darunter, dass das EU-Land von Korruptionsaffären erschüttert wird und das Corona-Krisenmanagement der Regierung in der Kritik steht. Vergangenes Jahr hatten Proteste das Land erschüttert. Die Demonstranten warfen der Regierung vor, Oligarchen zu protegieren.

Gegen die Koalitionsregierung der hatte es im vergangenen Sommer Straßenproteste gegeben wegen Korruptionsvorwürfen.

Dass Borissows GERB, die im EU-Parlament zur Europäischen Volkspartei (EVP) gehört, und mit den Nationalisten der VMRO als Juniorpartner regiert hatten, dennoch auf Platz eins blieb, dürfte er auch der Umsicht seiner Regierung zu verdanken haben: In den vergangenen Monaten gewährte sie Ärzten, Beamten und Pensionisten großzügige Zulagen - und kann dank der Milliardenhilfen der EU mit großen Infrastrukturprojekten werben.

Die Coronalaage in Bulgarien ist dramatisch. Experten hatten wegen der hohen Infektionszahlen mit einer niedrigen Wahlbeteiligung gerechnet. Wahlurnen wurden auch in Krankenhäusern aufgestellt und Wahlhelfer brachten Wahlurnen zu unter Quarantäne stehenden Stimmberechtigten.

Ersten Angaben zufolge sank die Wahlbeteiligung nicht so stark wie befürchtet. Bis 17.00 Uhr Ortszeit (16.00 Uhr MESZ) gaben laut Wahlkommission fast 40 Prozent der Wähler ihre Stimme ab - 2017 waren es zur selben Tageszeit rund 42 Prozent. Der Urnengang sei „gekennzeichnet von der Mobilisierung jüngerer, urbanerer Wähler“, erklärte Boriana Dimitrowa vom Forschungsinstitut Alpha.

Borissow gab sich nach seiner Stimmabgabe, bei er keine Journalisten zuließ, demütig. „Ich habe immer berücksichtigt, was das Volk entscheidet“, versicherte er. „Lasst die Wahl ehrlich sein.“ Im Online-Netzwerk Facebook betonte Borissow, die „immense Unterstützung“ durch die Regierungen anderer EU-Länder zeige „die Bedeutung einer stabilen europäischen Regierung in Bulgarien“.

Präsident Radew erklärte, er habe „gegen die Zerstörung der Rechtsstaatlichkeit gestimmt“. Das Staatsoberhaupt hatte die regierungskritischen Proteste im vergangenen Jahr unterstützt und ist selbst ein vehementer Kritiker Borissows.

Die Bekanntgabe des offiziellen Wahlergebnisses könnte sich mehrere Tage hinziehen. Spätestens am Donnerstag soll es von der Wahlkommission verkündet werden. Insgesamt 6,7 Millionen Stimmberechtigte waren aufgerufen, 240 Abgeordnete für die Volksversammlung in Sofia zu wählen. Angetreten waren knapp 7.000 Kandidatinnen und Kandidaten.

Da die überwiegend orthodoxen Bulgaren dieses Jahr erst in vier Wochen Ostern feiern, kollidiert die Wahl nicht mit Familienfesten. Bei dem landesweiten Urnengang galten wegen Corona zahlreiche Hygiene-Regeln. In Krankenhäusern und für Menschen unter Corona-Quarantäne gab es mobile Wahlurnen mit Teams in Schutzkleidung. Sie trugen Masken und Helme.

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