Briten werden die nächsten 15 Jahre nicht in die EU zurückkehren

Briten werden die nächsten 15 Jahre nicht in die EU zurückkehren
Obwohl eine Mehrheit der Briten dafür wäre, glaubt der britische Politikwissenschaftler Anand Menon nicht an einen Wiedereintritt in die EU.

Eine Rückkehr Großbritanniens in die EU ist nach Einschätzung des britischen Politikwissenschaftlers Anand Menon in den kommenden 15 Jahren ausgeschlossen. Er sehe da absolut keine Chance, sagte der Leiter der Denkfabrik UK in a Changing Europe der Deutschen Presse-Agentur in London zum dritten Jahrestag des EU-Austritts am Dienstag.

Umfragen zufolge ist eine Mehrheit der Briten für einen Wiedereintritt in die EU, doch für die Politik in London ist dies kein Thema.

Die sozialdemokratische Labour Party führt in Umfragen deutlich vor den Konservativen. Es gilt daher als wahrscheinlich, dass Labour-Chef Keir Starmer den derzeitigen Premier Rishi Sunak von den Tories nach der kommenden Wahl im Jahr 2024 als Regierungschef ablösen wird.

Starmer setzte sich in der Vergangenheit für eine Abkehr vom Brexit ein, wirbt aber inzwischen lediglich dafür, das Austrittabkommen zu verbessern. Journalistenfragen nach einem Wiedereintritt beantwortete er mehrfach klar mit einem Nein.

Menon glaubt, dass selbst eine stärkere Annäherung durch zusätzliche Abkommen zwischen der EU und einer künftigen Labour-Regierung problematisch wäre.

Die EU werde sich denken: "Wollen wir wirklich einen Deal unterschreiben mit diesen Leuten, wenn die Konservativen in fünf Jahren wieder zurückkommen und alles in der Luft zerreißen?", so der Professor am King's College in London.

Für Sunak, der vor allem die Erholung der Wirtschaft im Auge habe, sei selbst eine dafür dienliche Entspannung des Verhältnisses mit Brüssel schwierig.

Es sei unklar, ob er sich gegen die Brexit-Anhänger seiner Partei durchsetzen könne, so Menon. Spekulationen zufolge wartet Sunaks Vorvorgänger Boris Johnson nur auf eine Gelegenheit, um dem Premier Verrat am Brexit vorzuwerfen und sich den Weg zurück an die Regierungsspitze zu bahnen.

Sunak: Brexit ist "riesige Chance"

Der britische Premier Sunak verteidigt den Brexit. In den vergangenen drei Jahren habe Großbritannien "große Schritte" gemacht, die "durch den Brexit entstandenen Freiheiten nutzbar zu machen", erklärte Sunak anlässlich des Jahrestages des offiziellen Austritts am Dienstag. Der Brexit sei eine "riesige Chance" für Wachstum, Arbeitsplätze und soziale Mobilität, fügte der Regierungschef hinzu.

Beim Brexit-Referendum 2016 hatten 52 Prozent der Briten für einen Austritt aus der EU gestimmt. Nach langen Verhandlungen mit Brüssel trat das Vereinigte Königreich zum 1. Februar 2020 aus dem Staatenverbund aus.

Sunak, der in dieser Woche seit 100 Tagen im Amt ist, betonte, sein Land habe sich "einen Weg als unabhängige Nation mit Selbstbewusstsein gebahnt". Als positive Beispiele nannte er etwa Handelsabkommen mit 70 Ländern sowie das Wiedererlangen der "Kontrolle über unsere Grenzen".

In seiner Erklärung ging der britische Premier nicht auf die Probleme mit dem im Brexit-Abkommen vereinbarten Nordirland-Protokoll ein. Stattdessen lobte er Wirtschaftsreformen, die geplante Abschaffung verbliebener EU-Gesetze sowie ein neues Subventionssystem ohne "unnötige EU-Bürokratie".

Wirtschaftsmotor stottert

Während die Konjunkturprognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) für 2023 in großen Teilen der Welt Erleichterung ausgelöst hat, herrscht im Vereinigten Königreich Katerstimmung. Nach Einschätzung der IWF-Experten wird die britische Wirtschaft dieses Jahr nicht wachsen, sondern um 0,6 Prozent schrumpfen.

Das Land bildet damit das Schlusslicht in der am Dienstag veröffentlichten IWF-Betrachtung und schneidet selbst schlechter ab als das wegen seines Angriffskriegs auf die Ukraine mit weitgehenden Sanktionen belegte Russland.

Hintergrund für die düsteren Aussichten seien die sparsame Steuer- und Geldpolitik und noch immer hohe Energiepreise, die den Geldbeutel der Haushalte belasten, so die Einschätzung der IWF-Experten.

Mangel an Arbeitskräften 

Die IWF-Zahlen zeigten, dass Großbritannien nicht immun sei gegenüber Druck, dem fast alle entwickelten Volkswirtschaften ausgesetzt seien, sagte der britische Finanzminister Jeremy Hunt dem Nachrichtensender Sky News. Er verwies auf langfristige Prognosen, wonach Großbritannien schneller wachsen soll als Deutschland und Japan.

Für die konservative britische Regierung ist die Prognose am dritten Jahrestag des EU-Austritts wenig schmeichelhaft. Das schwache Wachstum sei vor allem auf den Mangel an Arbeitskräften zurückzuführen, sagte der Direktor des Institutes for Fiscal Studies, Paul Johnson, der BBC am Dienstag.

Auslöser dafür sei unter anderem der Brexit gewesen, der Einwanderung aus der EU erheblich erschwerte. Der EU-Austritt habe aber auch andere Herausforderungen mit sich gebracht, die das britische Wirtschaftswachstum hemmen. Unter anderem leide die britische Konjunktur unter der politischen Instabilität des Landes in den vergangenen Jahren.

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