„Integrität, Professionalität und Rechenschaftspflicht“, hatte Rishi Sunak nach den Chaosmonaten unter den Vorgängern Boris Johnson und Liz Truss angekündigt, als er am 25. Oktober des Vorjahres als erster britischer Premier mit asiatischen Wurzeln von König Charles III. zum britischen Premierminister ernannt wurde. Doch gerade was den ersten Punkt anbelangt (doch bei weitem nicht nur den), ist es schlecht bestellt um die bisherige Amtszeit des 42-Jährigen.
Just wenige Tage vor seiner 100-Tage-Marke kommenden Donnerstag holte ihn ein neuer interner Skandal ein. Sunak musste seinen Intimus Nadhim Zahawi, 55, von allen Ämtern entbinden. Der gebürtige Iraker, der im Alter von neun Jahren ins Königreich gekommen war, ist offenbar in eine millionenschwere Steueraffäre verwickelt: Er soll als Aktionär des von ihm mitbegründeten Meinungsforschungsinstituts Yougov eine Offshorefirma in Gibraltar genutzt haben. Zahawi, der bereits unter Johnson und Truss Ministerposten innehatte, war zuletzt Generalsekretär der Tories und im Kabinett als Minister ohne besonderen Aufgabenbereich.
Pleiten, Pech und Pannen
Damit setzt sich die Pleiten-, Pech- und Pannenserie unter Sunak fort. Bereits zuvor hatte Staatsminister Gavin Williamson wegen Mobbing-Vorwürfen seinen Hut nehmen müssen. Gegen Vize-Premier Dominic Raab laufen Ermittlung wegen derselben Anschuldigungen. Und die Bestellung von Suella Braverman, die unter Truss wegen des Bruchs der Sicherheitsvorschriften zurückgetreten war, hatte bei nicht wenigen Kopfschütteln ausgelöst.
„Nach drei Monaten hat er (Sunak) es nicht nur versäumt, sich Vertrauen zu verdienen, sondern er hat dazu beigetragen, den Ruf seiner Partei noch weiter im politischen Sumpf zu versenken“, urteilte der Kommentator der Byline Times. Das schlägt sich auch in sämtlichen Umfragen nieder. Demnach kommen die Konservativen derzeit bloß auf 20 Prozent Wählerzustimmung, die oppositionelle Labour-Partei unter Keir Starmer hingegen steigt auf fast 50 Prozent. Hielte dieser Trend an, würden die Tories bei den kommenden Wahlen (regulär 2024) ein historisches Debakel einfahren und marginalisiert werden.
„Schwacher Anführer“
Auch im aktuellen Tarifstreit im öffentlichen Dienst macht Sunak, der den Harten gibt, keine gute Figur. Wenn man etwa den Pflegebereich betrachtet, „liegen die Sympathien der Briten bei den streikenden Pflegekräften“, während der Premier als hartherzig empfunden werde, meint der Politologe Tim Bale. Generell hält er den Regierungschef für einen „schwachen Anführer“. Um größere Widerstände zu verhindern, habe Sunak den Forderungen seiner parteiinternen Gegner zu sehr nachgegeben.
Auf der Habenseite kann der 42-Jährige bloß verbuchen, dass er nach dem erratischen Kurs seiner Kurzzeit-Vorgängerin Truss die Finanzmärkte wieder beruhigen konnte. Wegen der extremen neoliberalen Agenda hatten diese das britische Pfund ins Trudeln gebracht und Investoren verschreckt, auch Staatsanleihen büßten an Wert ein. Doch die Einwohner des Königreichs plagen aktuell andere Sorgen: Vor allem die Teuerung.
Alles in allem – Steilvorlagen für Keir Starmer, der in Sunaks Wunden bohrt: „Fragt er sich langsam, ob dieser Job einfach zu groß für ihn ist?“
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