Teurer Speck: Wird der Brexit zur Gefahr für das englische Frühstück?
Fetttriefend, ziemlich rosa und von einer Dicke, wie sie wohl nur Engländer zu schätzen wissen: Speckscheiben sind ein Grundbaustein für das englische Frühstück- und zugleich eines der wichtigsten landwirtschaftlichen Importgüter aus der EU. Vor allem der kleine Agrarriese Dänemark versorgt die britische Insel mit rund 50.000 Tonnen Frühstücksspeck pro Jahr, rund jede dritte Scheibe auf den Frühstückstischen stammt von dort.
Kontrollen, tierärztliche Zertifikate und sehr viel Papier
Und dieser Frühstücksspeck könnte bald empfindlich teurer werden. Eine Spätfolge des Brexit, also des britischen EU-Austritts, der ja eigentlich seit dem 1. Jänner 2021 vollzogen sein sollte.
Doch anders als die EU, die ihre Grenzen für britische Lebensmittel sofort hochfuhr, zögerte die Regierung in London ihre Kontrollen über Jahre hinaus. Zu groß war die Sorge, dass Großbritannien, das ja viel mehr Lebensmittel aus der EU importiert als es dorthin exportiert, Schwierigkeiten mit der Versorgung, aber vor allem stark steigende Preise drohen würden. Nicht umsonst warnte die britische Opposition vor Warteschlangen in Häfen, Verzögerungen bei Importen sowie einem Anstieg der Inflation, vor allem bei Lebensmittelpreisen.
Dänische Produzenten bereiten sich seit langem vor
Mit Ende April aber ist es endgültig soweit. Großbritanniens Grenzkontrollen für Lebensmittel werden schlagend. Das betrifft am allermeisten Frischware, also Gemüse und Obst, die Hygienekontrollen an der Grenze durchlaufen müssen, noch viel stärker alle Fleischwaren, denn die brauchen, um den Weg in die britischen Supermärkte zu finden, tierärztliche Zertifikate. Die erste Tranche dieser Zertifikate müssen schon im Herstellerland stattfinden, konkret in Dänemarks Schlachthöfen. Dort müssen Tierärzte die Schweine überprüfen und zwar nach den Kriterien, wie sie Großbritannien verlangt.
Der Speck, der daraus hergestellt wird, macht sich also schon begleitet von einigen Formularen auf die Reise. Dann braucht es die Dokumente für den Export und schließlich die Kontrolle durch britische Tierärzte, wenn der Speck einmal die Grenze passiert hat. Dazu kommen Importsteuern und Hafengebühren.
Die Zeit fehlt später im Supermarkt
All das könnte nicht nur die ohnehin stark gestiegenen Preise in Großbritannien weiter in die Höhe treiben, es könnte auch gerade viele kleinere Lebensmittelhersteller in der EU von weiteren Geschäften mit Großbritannien abbringen: Zu viel Bürokratie, zu viele Gebühren und damit zu wenig Gewinnmarge. Das gilt auch für viele Gemüse- und Obstbauern. Während es beim Speck eher auf den Preis ankommt, kommt für sie der Faktor Zeit viel stärker dazu. Geht ein Tag durch die Kontrollen an der Grenze verloren, reduziert das die Tage, die die Ware im Supermarkt verkauft werden kann oft um ein Viertel. Das schneller erreichte Ablaufdatum verringert die Umsätze und erhöht die Menge an nicht mehr essbarer Ware.
Dänemarks Großproduzenten von Speck und Würsten haben sich natürlich seit Jahren akribisch auf diese Kontrollen vorbereitet. Man stehe bereit, um die Verzögerungen so gering wie möglich zu halten. Auch die britischen Behörden trommeln seit langem die Botschaft, dass man all die Kontrollen so automatisiert und damit so rasch und effizient wie möglich durchführen werde.
Zu wenig Arbeitskräfte für schnelle Kontrollen?
Doch da könnte der akute Arbeitskräftemangel in Großbritannien den Behörden einen weiteren Strich durch die von Anfang sehr optimistischen Rechnungen über die Brexit-Folgen machen. Gerade für Nacht- und Spätschichten an den Grenzen fehlen laut britischen Medienberichten schon jetzt Tierärzte und Kontrolleure. Die großen dänischen Schweinemäster nehmen die neuen Hürden vorerst einmal gelassen hin, aber sparen nicht mit Kritik. "Ich war nie für den Brexit - und ich bin es immer noch nicht", erzählt einer dieser Unternehmer dem Wirtschafts-Nachrichtendienst "Bloomberg".
Auch die Briten haben die Lust am Brexit verloren
Auch auf der Insel ist die Begeisterung über den EU-Austritt weitgehend verflogen. Rund 60 Prozent der Briten sind laut aktuellen Umfragen für einen Wiedereintritt ihres Landes in die EU oder zumindest zum gemeinsamen Binnenmarkt. Mehr als 70 Prozent sprechen sich für eine rasche Wiederannäherung an die EU aus.
Den Brexit aber tatsächlich wieder rückgängig zu machen, das ist für die britische Politik weiterhin ein Tabu. Labour-Chef Keir Starmer, der - laut Umfragen - bei den Parlamentswahlen, die noch heuer stattfinden sollen, einen klaren Sieg davontragen und neuer Premierminister werden sollte, schließt das bisher noch kategorisch aus. Doch in Brüssel macht man schon jetzt deutlich, so einfach und ohne politische Zugeständnisse wird die EU ihre Grenzen und ihren Markt für die Briten sicher nicht öffnen.
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