Warum die Brexit-Saga jetzt mit einem halbem Happy-End schließt
Einfach einmal ein Semester in Oxford, Edinburgh oder Belfast studieren? Ohne ein Erasmus-Stipendium wird das richtig teuer. In Oxford etwa muss man als Auslandsstudent für die jährlichen Gebühren künftig bis zu 30.000 Pfund berappen. Denn Erasmus-Unterstützung für Studenten vom Kontinent ist im Vereinigten Königreich seit dem Brexit Geschichte.
Vor 15 Monaten hat Großbritannien die Europäische Union verlassen.
Aber erst gestern wurde das letzte Kapitel der Brexit-Saga geschlossen:
Am Dienstagabend haben die Abgeordneten des EU-Parlaments den mühsam errungenen, 1.386 Seiten umfassenden Handelspakt zwischen der EU und ihrem britischen Ex-Mitglied abgesegnet. Das erwartet positive Ergebnis wurde allerdings erst am Mittwoch offiziell verkündet. Das Thema Erasmus kommt darin nicht vor.
Was hingegen endgültig geregelt ist: Waren dürfen zollfrei und unbegrenzt zwischen der EU und Großbritannien aus- und eingeführt werden. Provisorisch galt dies bereits seit Jänner, nachdem sich die Regierung in London und die EU-Kommission am Weihnachtstag darauf geeinigt hatten.
Neue Zollgrenze
Bereits mit Jahresbeginn hat Großbritannien den Binnenmarkt und die Zollunion der EU verlassen. Das bedeutet: Erstmals seit 47 Jahren gibt es wieder eine Zollgrenze zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich. Es bedeutet auch: Neue Formulare, Zollformalitäten, Kontrollen, riesiger bürokratischer Aufwand – und höhere Kosten.
Dabei hätte es noch schlimmer kommen können: Ohne einen Handelspakt hätte ein No-Deal gedroht – mit komplizierten, bilateralen Beziehungen und explodierenden Importpreisen.
Gütliches Ende also einer schmerzlichen Scheidung? „Der Brexit war ein großer, schwerer Fehler“, glaubt Andreas Schieder, SPÖ-EU-Delegationsleiter und Brexit-Berichterstatter im EU-Parlament. Doch das nun ratifizierte Handelsabkommen sei „nicht das Ende, sondern ein Anfang. In vielen Bereichen besteht noch erheblicher Verbesserungsbedarf – Millionen Briten in der EU und Zehntausenden Europäern im Königreich bereitet der Brexit weiter Sorgen.“
Randale in Nordirland
Die weitaus schlimmste Folge des Brexits bisher ist das Aufflammen gewalttätiger Zusammenstöße in Nordirland. Zwar randalierten überwiegend Jugendliche, und die Lage hat sich seit Ostern wieder beruhigt. Doch dahinter steckt die politische Sorge der pro-britischen Unionisten, dass die seit dem Brexit geltenden Sonderregeln Nordirland von Großbritannien abkoppeln könnten.
Der britische Premier Boris Johnson will beruhigen und versprach, Teile des – längst abgesegneten – Brexit-Scheidungsvertrages „in Form zu schleifen“.
Damit aber brachte er nur wieder Brüssel auf die Palme: Vertragsbruch! „Von britischer Seite darf es keine Überraschungen mehr geben“, empört sich der Chef des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, David McAllister. Im nun ratifizierten Handelsvertrag gebe es Möglichkeiten, mit Quoten oder Zöllen zu bestrafen, sollte London Vertragsteile verletzen.Besonders hart wäre dies für die britischen Lebensmittelexporteure. Corona und Brexit hat sie doppelt getroffen. Seit Jahresbeginn sind die Exporte in die EU massiv zurückgegangen. Bei Rindfleisch, Käse, Milchprodukten sanken sie im Jänner und Februar im Jahresvergleich um mindestens zwei Drittel.
Verheerend erwies sich der Brexit bisher auch für die britischen Fischer. Ein Gutteil ihres Fangs verrottete, weil sie nicht schnell genug die neuen Zollpapiere und Zertifikate für den Export in die EU eingeholt hatten.
Kräftige Preisaufschläge auch in Österreich
Österreichische Exporteure trafen die neuen Zeiten bisher nicht so hart. „Großbritannien war für uns nie der wichtigste Handelspartner“, heißt es dazu aus dem Brexit-Infopoint der WKÖ.
Doch man gibt auch zu bedenken: „Für viele kleinere Online-Händler wird sich der Aufwand, nach Großbritannien zu liefern, nicht mehr lohnen.“ Umgekehrt gilt auch für Österreich: Wer sich ein Paket aus Großbritannien liefern lassen will, darf gleich einen kräftigen Preisaufschlag einkalkulieren.
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