Brexit-Debakel: Misstrauensvotum gegen May am Dienstag erwartet
Die Brexit-Befürworter erwarten einem Bericht des "Telegraph" zufolge für Dienstag ein Misstrauensvotum gegen Premierministerin Theresa May. Die dafür nötige Zahl an Anträgen werde am Freitag erreicht, hieß es.
Die Gegner von Premierministerin May in ihrer Konservativen Partei hätten nötigen 48 Stimmen bereits erreicht, berichteten dagegen Journalisten der britischen Zeitung "The Sun" und von "BrexitCentral" am Freitag. Mays Kabinett stimmte am Mittwoch dem EU-Ausstiegsvertrag zu. Die Entscheidung ist auch in den Reihen von Mays konservativer Tory-Partei sehr umstritten. Minister traten zurück, Abgeordnete forderten ein Misstrauensvotum. EU-Ratspräsident Donald Tusk berief einen EU-Sondergipfel für den 25. November ein, um die Vereinbarung festzuzurren.
Protest gegen May
Der frühere Brexit-Minister David Davis sprach sich unterdessen für einen Neustart der Brexit-Verhandlungen mit Brüssel aus. Der von May vorgelegte Entwurf sei "schrecklich", sagte Davis am Freitag in einem BBC-Interview. "Das ist kein Abkommen, das wir akzeptieren sollten." Davis war bereits im vergangenen Juli aus Protest gegen Mays Brexit-Pläne von seinem Posten zurückgetreten. Sein Nachfolger Dominic Raab gab am vergangenen Donnerstag das Amt auf. Auf Raab folgt Stephen Barclay als Brexit-Minister. Amber Rudd wird Arbeitsministerin.
Ein ehemaliger hochrangiger Mitarbeiter des Außenministeriums, Simon Fraser, kritisierte Davis Vorwürfe scharf: "David Davis war ein schrecklicher Brexit-Minister", schrieb Fraser im Kurznachrichtendienst Twitter. Er habe in seiner Amtszeit kaum dazu bewegt werden können, nach Brüssel zu reisen. "Er hat dort schnell an Respekt verloren."
20 Konservative outen sich als Gegner ihrer Parteichefin
Der britische Handelsminister Liam Fox wirbt der BBC zufolge für das Brexit-Abkommen von May. Die Regierung sei nicht dafür gewählt worden, das zu tun, was sie machen wolle, sondern das, was im Interesse des Landes sei. Er habe vollstes Vertrauen in May, sagte Fox am Freitag dem Sender CNBC. Die Wirtschaft setzt sich nach den Worten einer May-Sprecherin für das Brexit-Abkommen der Regierungschefin ein. In den vergangenen Tagen sei viel Zuspruch gekommen, sagte sie.
Unterdessen haben sich 20 konservative Abgeordnete dazu bekannt, schriftliche Anträge für ein Misstrauensvotum gegen May eingebracht zu haben, darunter der bekannte Brexit-Hardliner Jacob Rees-Mogg. Für ein Misstrauensvotum sind wie bereits erwähnt 48 solcher Anträge nötig, die an den Vorsitzenden des sogenannten 1922-Komitees, Graham Brady, gerichtet werden. May könnte gestürzt werden, wenn 158 der 315 Abgeordneten ihrer Konservativen Partei gegen sie stimmen.
Brady hat noch nicht bekannt gegeben, wie viele Anträge bei ihm eingegangen sind. Die Abgeordneten sind nicht verpflichtet, zu sagen, ob sie einen Antrag eingereicht haben oder nicht.
Deutschland warnt
Die deutsche Bundesregierung hat angesichts der Regierungskrise in Großbritannien im Streit über die Brexit-Konditionen erneut vor einem ungeregelten Austritt des Königreichs aus der EU gewarnt. "Der schlimmste Fall wäre der ungeregelte Fall", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Freitag in Berlin auf die Frage, ob die Bundesregierung besorgt sei über die Streitereien in der britischen Regierung. "Jetzt gibt es erstmal eine Einigung, und der Rest ist und bleibt hypothetisch."
Der Brexit-Befürworter Michael Gove bleibt Berichten zufolge in seinem Amt als Umweltminister. Zuletzt war darüber spekuliert worden, ob er sein Amt niederlegt oder ob er das Brexit-Ministerium übernimmt. Die Aktienkurse an der Londoner Börse gerieten nach den Berichten über ein wahrscheinliches Misstrauensvotum gegen May unter Druck.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sieht den vorläufigen Brexit-Deal zwischen EU und Großbritannien offenbar auf der Kippe. "Jetzt stehen wir an einem kritischen Punkt. Es ist vollkommen offen, ob es eine Zustimmung dafür in Großbritannien geben wird oder nicht", sagte Kurz am Freitag nach Gesprächen mit EU-Chefverhandler Michel Barnier und Ratspräsident Donald Tusk vor Journalisten in Brüssel.
Kurz warnte vor einem "harten Brexit" ohne Vereinbarung zwischen der EU und Großbritannien. Dieser würde "ganz massiv Großbritannien schaden". In Hinblick auf eine notwendige Abstimmung im britischen Parlament über den Brexit-Vertrag sagte Kurz: "Derzeit ist jeglicher Ausgang möglich." Der EU-Brexit-Sondergipfel am 25. November werde aber stattfinden.
Analyse des "Brexit"-Entwurfs
Der Kanzler gratulierte Barnier, der immer die Einheit der 27 verbleibenden EU-Staaten gewahrt habe, aber auch der britischen Premierministerin Theresa May, die es geschafft habe, eine Vereinbarung mit der EU zustandezubringen. "Ein 'hard Brexit' muss verhindert werden", so Kurz.
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