Blut, Schweiß, Tränen: Johnson stimmt Briten auf "schwierigste Wochen" ein
Immer neue Rekorde bei Neuinfektionen, ein starker Anstieg bei Todesfällen, überlastete Spitäler. Großbritannien ist von der hier entdeckten Corona-Mutation, die laut Experten bis zu 70 Prozent ansteckender ist, schwer gezeichnet. Jetzt haben England und Schottland die Notbremse gezogen.
Mutation: Johnson schickt England in den nächsten harten Lockdown
"Kritischer Moment"
"Wir müssen in England einen Lockdown verhängen, um die neue Corona-Variante in den Griff zu bekommen", sagte Premier Boris Johnson in einer Fernsehansprache am Montagabend und betonte, die Beschränkungen müssten an diesem „kritischen Moment“ bis mindestens Mitte Februar in Kraft bleiben, weil sich die Mutation in "frustrierender und alarmierender Weise" verbreite. Und er warnte: "Die Wochen vor uns werden die schwierigsten sein."
Kabinettsminister Michael Gove signalisierte am Dienstag, dass der dritte englische Lockdown sogar bis März andauern könnte und sprach von einem „Wettlauf gegen die Zeit“.
Auch Schulen sind zu
Das Haus verlassen darf man in England jetzt nur für “notwendige” Aktivitäten wie Arztbesuche oder Arbeit, die nicht von daheim erledigt werden kann. Sogar Schulen, deren Öffnung Johnson noch am Sonntag als Priorität beschrieben hatte, müssen schließen, weil sie „als Überträger fungieren können, wodurch sich das Virus zwischen Haushalten ausbreitet“.
Das britische Parlament, das erst kommende Woche seine Ferien beenden sollte, wurde zurückbeordert, damit es die Maßnahmen am Mittwoch offiziell absegnen kann.
Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon hatte mit dem Hinweis auf die Mutation bereits am Montagnachmittag einen Lockdown für ihren Landesteil angekündigt. "Die neue Variante ist für fast die Hälfte der neuen Corona-Fälle in Schottland verantwortlich", betonte sie.
Fast 60.000 Neuinfektionen
Großbritannien verzeichnete am Montag 58.784 Neuinfektionen. Für die vergangenen sieben Tage stieg die Zahl um 50 Prozent auf 383.834, die der Todesfälle um 20 Prozent auf 4.278. Laut Regierung liegt die Zahl der Corona-Patienten in Kliniken bereits 40 Prozent über dem Höchststand im Frühling.
Krebs-OPs verschoben
Das landesweite Corona-Alarmsystem wurde auf die höchste Stufe 5 gestellt. Das heißt, das Gesundheitssystem könnte ohne Maßnahmen innerhalb von 21 Tagen überlastet sein. Das King’s College Spital in London hat wegen der Corona-Belastung bereits dringende Krebsoperationen abgesagt.
Auch die britische Wirtschaft fürchtet neuen Schmerz. Die Einzelhandelsvertretung warnte vor einem Umsatzverlust von 2 Milliarden Pfund (2,2 Milliarden Euro) pro Woche: „Bereits 178.000 Arbeitsplätze gingen 2020 im Einzelhandel verloren, und mit derzeit mehr als 250.000 Menschen auf Zwangsurlaub könnte diese Zahl im neuen Jahr dramatisch ansteigen.“ Und die British Beer & Pub Association sprach von einem „weiteren Schlag für unsere Branche, besonders nach entsetzlich ruhigen Weihnachten und Silvester, als viele Pubs in der normalerweise geschäftigsten Zeit des Jahres geschlossen blieben“.
Neue Milliarden-Hilfen
Finanzminister Rishi Sunak kündigte am Dienstag 4,6 Milliarden Pfund (5,1 Milliarden Euro) Lockdown-Hilfen für Firmen an, damit sie “durch die nächsten Monate kommen“.
Johnson setzt jetzt alles auf das Impfprogramm, das größte in der Geschichte des Landes, als Lichtschein am Ende des Tunnels.
„Bisher haben wir in Großbritannien mehr Menschen geimpft als der Rest Europas zusammen“, lobte er. Und der seit Montag eingesetzte Oxford/AstraZeneca-Impfstoff soll „das Impftempo beschleunigen“.
Das Land mit etwa 68 Millionen Einwohnern hat 40 Millionen Dosen des BioNTech/Pfizer- und 100 Millionen des Oxford/AstraZeneca-Vakzins bestellt.
Eine Million Dosen verimpft
Bis Mitte Februar, „wenn alles gut läuft und ein guter Wind in unseren Segeln ist“, will Johnson allen Leuten in den vier Gruppen mit höchster Priorität die erste Impfstoffdosis anbieten. Das umfasst Bewohner von Heimen und ihre Pfleger, über 75-Jährige, medizinisches Personal und Sozialarbeiter sowie klinisch “extrem Gefährdete”.
Im ersten Monat wurden etwa eine Million Dosen verimpft. Um Johnsons Ziel zu erreichen, muss das aber auf zwei Millionen oder mehr pro Woche beschleunigt werden. Experten fragen bereits, ob das von Vakzin-Versorgung und Logistik her realistisch ist.
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