Wer ist die Frau, von der sich Joe Biden mobilisierende und letztlich erfolgreiche Wirkung in der Endphase des Wahlkampfes erhoffte? Kamala Harris wurde 1964 in Oakland, am anderen Ende der Bucht von San Francisco, geboren. Vater Donald war Wirtschaftswissenschaftler an der Stanford University, ein Einwanderer von der Karibik-Insel Jamaika. Mutter Shyamala Gopalan, eine auf Brustkrebs spezialisierte Ärztin, kam in Indien auf die Welt. Der Name Kamala kommt aus dem Sanskrit und bedeutet „Lotusblüte“. In den Jahren der Studentenproteste kutschierten ihre Eltern, die sich trennten, als sie sieben war, Kamala bei Demonstrationen im Kinderwagen über den Campus der berühmten Universität von Berkeley.
In der zweiten Klasse kam Harris zum ersten Mal mit den Ausläufern von Rassismus in Kontakt. Sie wurde abseits ihres Wohnortes Berkeley mit dem Bus in eine Schule gebracht, in der weiße Kinder mit schwarzen Kindern unterrichtet wurden; als Impuls zur Überwindung der Rassentrennung. Die Episode spielte in einer TV-Debatte der demokratischen Präsidentschaftskandidaten vergangenen Jahr eine Rolle.
Joe Biden, der Senator wurde, als Kamala Harris acht Jahre alt war, lehnte die aus Sicht der Bürgerrechtsbewegung wichtige Methode seinerzeit ab. Als Harris ihn deswegen konfrontierte, schwieg der Trump-Herausforderer erst betreten und entschuldigte sich später. Heute sagt er über die öffentliche Demütigung durch Harris: „Ich hege keinen Groll.“
Religiös wuchsen Kamala Harris und Schwester Maya zwischen Hindutempel und schwarzer Baptistenkirche auf. „Meine Mutter wahrte unsere Identität und formte uns zu starken Frauen“, schreibt Harris in ihrer Biografie.
Nach der Universität (Politik, Wirtschaft, Jus) wurde die schon in jungen Jahren streitbare und kampflustige Harris in Oakland Staatsanwältin. Mitte der 90er Jahre startete sie kurzzeitig eine schlagzeilenträchtige Beziehung mit dem 30 Jahre älteren Willie Brown, der damals Bürgermeister von San Francisco wurde.
Privat fand Harris 2014 ihr wahres Glück. Sie heiratete den aus New York stammenden jüdischen Anwalt Doug Emhoff. Emhoff brachte mit Cole und Ella zwei Kinder aus erster Ehe ein. Sie nennen Harris „Momala“, eine Variation des jüdischen Kosenamens für Mütter: „Mamaleh“.
Aus der Zeit als Generalstaatsanwältin rührt ein enger Kontakt mit der Familie von Joe Biden, der bei seiner Personalentscheidung für die Vizepräsidentschaft nach Angaben von Vertrauten „große Bedeutung“ hatte. Beau Biden, Bidens ältester Sohn, der 2015 im Alter von 46 Jahren an einem Gehirntumor starb, war mit Harris befreundet und zeitgleich Justizminister (im Bundesstaat Delaware). „Er hielt große Stücke auf ihr Verhandlungsgeschick und ihre politische Linie“, sagen Weggefährten. Diese „Durchsetzungsfähigkeit“, sagt Joe Biden, habe ihn beeindruckt.
Seit ihrem Einzug in den Senat hat sich Harris vor allem durch rhetorisch messerscharfe Auftritte in Anhörungen Respekt und Bewunderung erworben. Als der damalige Justizminister Jeff Sessions zu Trumps Russland-Affäre aussagen musste, kapitulierte der kleine Mann aus Alabama mitten im Fragengewitter mit rotem Kopf. „Man kann mich nicht so hetzen. Das macht mich nervös.“
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