TV-Duell: Bidens Totalabsturz
Als Joe Biden und Donald Trump am Donnerstagabend die CNN-Zentrale in Atlanta betraten, prallten zwei noch weiter als 2020 entfernte und einander offenkundig verhasste Gegensätze aufeinander: Hier ein mit dauer-heiserer Stimme anfällig wirkender Staats-Senior, der mit 81 Jahren ein zweites Mal die Seele Amerikas retten will - vor Trump.
Dort ein auf Krawall und Attacke gebürsteter Populist, der mit 78 Jahren erneut ins Weiße Haus will, um sich für die Niederlage von vor vier Jahren zu rächen.
Der auf 90 Minuten begrenzte Schlagabtausch, moderiert von den CNN-Journalisten Jake Tapper und Dana Bash, geriet über weite Strecken zu einer rückwärtsgewandeten Schlammschlacht, in der alte Zwistigkeiten dominierten und in der Trump den entschieden robusteren Eindruck vermittelte.
Biden "wirkte fast durchgängig wie ein geprügelter Hund”
Beide Kandidaten für die Wahl im November überzogen sich fortlaufend mit ehrabschneidenden Attacken und warfen sich wechselseitig vor, die schlechtesten Präsidenten in der Geschichte der Vereinigten Staaten zu sein bzw. gewesen zu sein. „Ich habe noch nie jemanden so lügen sehen wie diesen Kerl”, sagte Trump über Biden und setzte hinzu: „Alles, was er tut, ist eine Lüge.” Biden äußerte sich nahezu wortgleich. Er nannte Biden eine “Jammerlappen”. „Jedes Details, das er nennt, ist eine Lüge.”
„Ich habe noch nie so viel Quatsch und Dummheit in meinem ganzen Leben gehört”, waren mehrfach benutzte Formulierungen des 46. US-Präsidenten, der von Beginn an massive Probleme hatte, die pausenlosen Pauschal-Angriffe Trumps auf geeignete Weise zu kontern. „Er wirkte fast durchgängig wie ein geprügelter Hund”, sagte ein US-Kommentator.
Niemand auf der Welt respektiert die USA
Trump deckte Biden auf allen Politikfeldern - von Wirtschaft über Einwanderung und Abtreibung bis zu außenpolitischen Konflikten - erneut mit vernichtender Kritik ein, die teilweise schon seit Jahren als unberechtigt entlarvt ist. Niemand auf der Welt respektiere Amerika noch. Das Land ähnele einer Dritte-Welt-Nation.
Wirtschaftlich herausragende Vorarbeiten, die Trump bis 2020 geleistet haben will, seien durch Biden mutwillig zerstört worden, weil er und seine Regierungsmannschaft zu „dumm” seien. Der Angegriffene schüttelte mehrfach den Kopf, sagte leise „Das stimmt einfach nicht”, und versuchte mit Zahlen und Fakten den Gegenbeweis anzutreten.
Biden wirkte oft entgeistert
Unvorteilhaft für den Amtsinhaber wirkte sich dabei aus, dass Biden oft sehr fahrig und hastig redete. Er verhaspelte sich oft. Seine Stimme war durchweg heiser, geriatrisch; angeblich wegen einer Erkältung, wie das Weiße Haus erklärte.
Oft sah der frühere Senator und Vize-Präsident mit offen stehendem Mund zu, als sein Kontrahent gegen ihn vom Leder zog. Biden wirkte manchmal entgeistert und schien mitunter den Faden verloren zu haben.
Biden nennt Trump "verurteilten Straftäter"
Der Schlagabtausch wurde zwischenzeitlich schmutzig und unter die Gürtellinie zielend. Etwa als Biden Trumps Sex mit einem Porno-Star aufbrachte und ihn als „verurteilten Straftäter” bezeichnete. Trump bestritt die außereheliche Eskapade und konterte mit einem wütenden Seitenhieb auf Bidens Sohn Hunter, der gerade wege eines Waffen-Deliktes verurteilt wurde.
Er warf dem Amtsinhaber vor, selber ein „Krimineller" zu sein, der von China bezahlt werde und nach seinem Ausscheiden verurteilt werden könnte. Biden, so Donald Trump, lasse ihn juristisch verfolgen, weil er im November auf faire Weise nicht gewinnen könne. Dieser keilte zurück, dass er die Moral einer „Straßenkatze” besitze.
Biden sorgt für Sorgenfalten bei den Demokraten
Demokratische Parteigänger zeigten sich in ersten Stellungnahmen extrem alarmiert über den Auftritt. „Dem Eindruck, dass Joe zu alt ist für eine zweite Amtszeit, musste heute entgegengewirkt werden. Das hat überhaupt nicht funktioniert. Trumps Auftritt - Inhalt und Wahrhaftigkeit mal beiseite - hatte mehr Power", sagt ein Abgeordneter aus Maryland dem KURIER.
Der frühere Chef-Berater des demokratischen Präsidenten Barack Obama, David Axelrod, prophezeite sogar, dass es nun parteiintern „Diskussionen geben wird, ob Biden weitermachen wird”.
Damit bekämen unbestätigte Gerüchte Auftrieb, die besagen, dass Joe Biden vor oder auf dem Nominierungs-Parteitag in Chicago im August zur Aufgabe gedrängt werden könnte.
Nach der Schrei-Orgie bei der ersten TV-Debatte vor vier Jahren zwischen den beiden Antipoden sollte diesmal der Einsatz der Stummschalt-Taste an den Mikrofonen für eine inhaltsstärkere und zivilisierte Diskussion sorgen.
Überwiegender Eindruck von US-Analysten: „Ziel total verfehlt.”
CNN verzichtete auf Faktencheck
Als Hauptgrund dafür wurde die Tatsache ausgemacht, dass die CNN-Moderatoren auf jede Art von „fact-checking” verzichteten. Trump konnte so unwidersprochen etwa behaupten, dass Biden Russlands Präsidenten Wladimir Putin zum Überfall auf die Ukraine ermutigt habe und unter ihm, Trump, der Krieg in Israel/Gaza nie ausgebrochen wäre. Trump durfte auch ohne jeden Beleg in die Welt setzen, dass die illegale Einwanderung an der Grenze zu Mexiko zu einer beispiellosen Verbrechenswelle geführt habe: „Sie töten unsere Bürger”, behauptet er.
Obwohl Statistiken belegen, dass Asylsuchende weniger kriminell sind als Normal-Amerikaner. Auch Trumps Aussage, dass „alle Gelehrten” und politischen Entscheider mit der Abschaffung des über 50 Jahre landesweit gültig gewesenen Rechts auf Abtreibung zufrieden seien, seit die Verantwortung dafür durch eine Entscheidung des Obersten Gerichts an die 50 Bundesstaaten gegangen ist, blieb unkorrigiert. Tatsache ist, dass in Umfragen bis heute zwei Drittel der Amerikaner das Ende von „Roe versus Wade” als falsch beklagen. US-Medien sprachen in Blitz-Analysen von „Dutzenden Lügen und Halbwahrheiten”, von denen Trump einige bereits in seinem ersten Wahlkampf 2016 gegen Hillary Clinton vom Stapel gelassen habe.
Unmittelbar nach der Debatte erklärte die Kampagnen-Leitung Trumps den nur drei Jahre jüngeren Geschäftsmann zum eindeutigen Sieger der Debatte.
In E-Mails, Tweets, Video-Häppchen bombardierte das Trump-Camp seine Anhänger in Bettelbriefen um Spenden.
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