Auf anderen Aufnahmen waren Rauchsäulen über der festungsähnlich gesicherten Vertretung zu sehen. US-Diplomaten waren angehalten worden, sensible Unterlagen zu verbrennen, falls die Radikal-Islamisten trotz aller friedfertig klingenden Beteuerungen doch zur Erstürmung blasen sollten.
Hau-Ruck-Afghanistan-Politik
Biden hat mit seiner Hau-Ruck-Afghanistan-Politik in diplomatischen Kreisen Washingtons Bestürzung ausgelöst. Der US-Präsident ließ den atemberaubend schnellen Durchmarsch der Taliban in den vergangenen Tagen ohne jede militärische Intervention oder deren Androhung geschehen. Sein resignativ klingendes Motto: Wenn die von uns ausgebildete nationale Armee nicht kämpfen will, oder kann, bitteschön, nicht mehr meine Sache. Zeitgleich wird das Ausfliegen der Amerikaner aus der Botschaft mit immer mehr US-Soldaten abgesichert. Bis Montag sollen 5000 vor Ort und 4000 in Kuwait in der Hinterhand sein. „Biden flieht aus Afghanistan wie ein Angsthase“, sagen Kritiker im Kongress.
Afghanistan auf dem Silbertablett
Dort wird die Einschätzung des ehemaligen republikanischen Präsidentschaftskandidat Mitt Romney geteilt. Der Senator nannte die Art und Weise des Abzugs einen „unschätzbaren Schlag für die Glaubwürdigkeit, Zuverlässigkeit und Ehre unserer Nation“. 20 Jahre nach der Vertreibung der Taliban aus Kabul liefere Biden den islamistischen Demokratiefeinden Afghanistan auf dem Silbertablett und lasse die Regierung des wohl zum Abdanken gezwungenen Präsidenten Ashraf Ghani im Regen stehen. „Viele mühsam erkämpfte Fortschritte im Zivil-Lebens des Landes, etwa der Schulbesuch für Mädchen oder Ansätze einer westliche Alltagskultur, sind nun akut bedroht“, sagte der Büroleiter einer demokratischen Senatorin.
EU-Diplomaten, die namentlich nicht genannt werden wollten, sagen voraus, dass Bidens überhastet angeordnete Botschafts-Evakuierung und das „Im-Stich-Lassen“ der afghanischen Regierung noch lange nachhallen wird. „Amerikas Glaubwürdigkeit als Verteidiger der Freiheit hat in wenigen Tagen schweren Schaden genommen. Alliierte zu finden für eine ähnliche Mission, wird in Zukunft nahezu unmöglich.“
Auch Bidens Ziel, eine „Allianz der Demokratie“ gegen China und Russland aufzubauen, gerate in Misskredit. Ein Grund: Die erwartete Flüchtlingswelle, allein in Kabul wollen Hunderttausende das Land aus Angst vor einer Neuauflage des Taliban-Regimes verlassen, werde in den Anrainer-Staaten und bis nach Europa „absehbar schwere Verwerfungen auslösen“.
Falsche Entscheidung zur falschen Zeit
Dass die Biden-Regierung trotz des mehrfach gegebenen Versprechens, die Zeit der Alleingänge unter Donald Trump sei vorbei, „ohne wirkliche Konsultation mit den Partnerländern und ohne erkennbaren Plan“ den Komplett-Abzug der USA aus Afghanistan exekutiert, sei ein „Rückschlag für die transatlantischen Beziehungen“, erklärte ein EU-Politiker in Washington auf Anfrage. Großbritanniens Verteidigungsminister Ben Wallace liege „sehr richtig“, wenn er das Wiedererstarken von Terror-Gruppen wie El Kaida prophezeie und den Rückzug der Amerikaner als „falsche Entscheidung zur falschen Zeit“ bezeichne.
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