Was würde Europa erwarten, wenn Trump gewinnt?
Ich beschreibe es immer als "Homeland Economy": Trump sucht immer ganz kurzfristig nach Unterstützung für bestimmte Industrien in den USA. Jetzt denkt er erst mal an 10 Prozent Zoll auf alle Importe, dann soll es Quoten für bestimmte Produkte geben - Autos aus Europa hat er da im Visier. Und was natürlich insgesamt die globale Situation belasten würde, wäre das Ziel, sich innerhalb von vier Jahren von China abzukoppeln. Da werden Handelskonflikte programmiert; und das würde sich für uns auch zum wirtschaftlichen Nachteil entwickeln.
Ex-Präsident Trump hat ein seltsam altmodisches Verständnis von Handelsdefiziten, oder? Von wegen: der Handelspartner, der mir gegenüber im Plus ist, schadet mir. Moderne Ökonomen denken ganz anders...
Das ist wirklich eine Einstellung zu Handel aus den Anfängen. Das läuft so heutzutage nicht mehr - Handelsbilanzen haben ja auch was mit Dienstleistungen und mit digitalem Handel zu tun und nicht nur mit Gütern. Aber er schaut eben immer nur: Was macht der Stahlarbeiter und die Stahlfabrik in Michigan?
Wie könnte sich Europa vorbereiten? Wie kann man Schaden vermeiden?
Wir haben mit dem Handels- und Technologierat (TTC) eine Ebene geschaffen, den Dialog zwischen USA und EU zu institutionalisieren. Und ich hoffe, dass wir das in irgendeiner Weise, vielleicht auf etwas niedrigerem Niveau auch mit einer Regierung Trump hinkriegen könnten, sodass zumindest noch ein Gesprächsfaden da ist und man weiß, wenn einseitige Maßnahmen ergriffen werden. Dann kann man sich darauf einstellen und vielleicht das eine oder andere noch diskutieren.
Wenn so ein Moment kommt, dann haben wir natürlich unseren Werkzeugkasten an Gegenmaßnahmen ausgebaut, was Investitionskontrolle, Ausweichzölle anbetrifft. Es gibt Maßnahmen gegen den wirtschaftlichen Zwang durch Handelsmaßnahmen. Das muss man einsetzen.
Europa hat schon einmal Strafzölle gegen US-Produkte einführt - auf Whiskey und auf Harley Davidson. Aber diese Strafmaßnahmen sind ausgesetzt, oder?
Ja, ausgesetzt, aber nicht vom Tisch. In der Frage der illegalen Stahlzölle, die von Herrn Trump eingesetzt worden sind, haben wir einen partiellen Waffenstillstand ausgehandelt. Dann kam die Neuwahl und der Handel hat noch mal Waffenstillstand erreicht: Demnach können jetzt drei Millionen Tonnen Stahl zollfrei aus Europa gebracht weren. Aber alles, was darüber hinausgeht, wird mindestens mit 25 Prozent Zoll belastet. Die europäische Stahlindustrie hat im letzten Jahr noch illegalerweise 145 Millionen Euro Zoll gezahlt.
Die Biden-Administration hat das also nicht aufgehoben. Und wenn man damit rechnen muss, dass dieses Friedensabkommen wieder aufgehoben wird, werden wir wieder 50 Prozent Zoll auf Harleys verhängen.
Also Strafzölle gegen Strafzölle. So was führt doch direkt in einen Handelskrieg.
Ja, das ist nicht unser Interesse. Überhaupt nicht. Aber wir können uns auch nicht wie eine Schildkröte auf den Rücken legen und alles erdulden, was da so kommt.
Was Kamala Harris betrifft: Haben Sie schon eine Idee, wo ihr wirtschaftlicher Kurs hingehen würde?
Ehrlich gesagt nicht. Aber sie kennt Europa. Also wird es sicherlich eine stärkere Kooperationsmöglichkeit geben. Aber ich gehe davon aus, dass auch sie vor allem das eigene wirtschaftliche Wohl vor Augen hat.
Muss also Europa auch protektionistischer werden?
Wenn wir jetzt anfangen, Sektoren oder einzelne Produkte protektionistisch zu betrachten, dann wird das die globale Struktur infrage stellen, und das kann wirklich nicht in unserem Interesse sein. Und auch ökonomisch muss man sich fragen: So viele Dinge in Europa zu produzieren, können wir uns das leisten? Das globale System hat schon seinen Sinn.
Über 50 Prozent unseres Handels läuft nach wie vor über WTO-Regeln und bei 50 Prozent haben wir in der EU Handelsverträge mit 44 Ländern. Da haben wir schon elementares Interesse, das zu stabilisieren und nicht durch protektionistische Maßnahmen infrage zu stellen.
Kann es also ein Ausweg sein, mehr Handelsabkommen abschließen? Aber mit den USA - Stichwort TTIP - wird das nichts mehr...
Das ist durch. Auch mit der Veränderung der ökonomischen Ausrichtung der USA kann man das vergessen, aber mit vielen anderen Ländern dieser Welt ist es möglich. Wenn man sich zum Beispiel Vietnam anschaut, wo angesichts der Spannungen USA-China sich jetzt viele Unternehmen sagen: Wenn ich im Asien-Markt bleiben will, gehe ich nach Vietnam. Da haben wir ein stabiles Abkommen, und so kann man es anhand vieler anderer Beispiele auch sehen. Vielleicht kriegen wir schnell was mit Indonesien hin und mit Australien.
Und Mercosur? Tut sich da was?
Da würde ich sagen: Reden Sie mit Ihrer Regierung in Wien und mit der französischen. Im Grunde ist der Handelspakt fertig. Jetzt hängt es wirklich nur noch an den Europäern.
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