Berlin: Behörden prüfen Verbot von Moschee-Verein
Bei den Ermittlungen nach dem Weihnachtsmarktanschlag von Berlin führt einem Medienbericht zufolge eine Spur des mutmaßlichen Attentäters Anis Amri zu einer Moschee in Berlin-Moabit, die bei den Sicherheitsbehörden als Salafistentreffpunkt gilt.
Der am Freitag in der Nähe von Mailand von Polizisten erschossene Amri soll laut RBB wenige Stunden nach dem Lastwagenanschlag vom Breitscheidplatz vor dem Gebäude des Moschee-Vereins "Fussilet 33" gefilmt worden sein.
Vorsitzender von "Fussilet 33" war laut aktuellem Jahresbericht des Berliner Verfassungsschutzes der selbst ernannte "Anführer" oder "Emir" Ismet D., der in Moabit durch seinen Islamunterricht Muslime - meist Türken und Kaukasier - für den Dschihad in Syrien radikalisiert haben soll. Bereits im Jänner 2015 ging die Polizei mit Durchsuchungen gegen den Moschee-Verein und seine Funktionsträger vor.
D. und einem Mitangeklagten wird seit Jänner 2016 vor dem Berliner Kammergericht der Prozess gemacht. Die Anklage wirft den beiden Männern vor, von Mitte 2013 bis Ende 2014 die syrische Dschihadistengruppe Junud al-Sham finanziell, technisch und organisatorisch unterstützt zu haben.
Senat prüft Verbot von Moschee-Verein
Die Berliner Behörden prüfen ein mögliches Verbot von "Fussilet 33", in dem Amri verkehrt haben soll. Derzeit werde geprüft, "ob man hier kurzfristig tätig werden kann", sagte Innenstaatssekretär Torsten Akmann am Freitag im Berliner Innenausschuss. Es gehe um die Frage, ob "Verbotstatbestände" vorliegen, die einen solchen Schritt rechtfertigten. Dazu könnten Strafverfahren gegen Beteiligte gehören oder Hinweise auf Unterstützung terroristischer Vereinigungen. Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte im Anschluss an die Sitzung, man sein übereingekommen, das "jetzt noch einmal besonders intensiv zu betrachten und möglichst schnell zu Ergebnissen zu kommen." Über ein Verbot war bereits 2015 diskutiert worden.
Dem RBB zufolge befürworten Berliner Ermittler seit geraumer Zeit eine Schließung der Moschee in Moabit und ein Verbot des Vereins. Moschee-Vorstände sollen demnach von der "Moschee der ISIS-Leute in Berlin" (ISIS=Terrormiliz IS "Islamischer Staat") gesprochen haben. Der Sender berief sich dabei auf die Protokolle von überwachten Telefonaten.
Schwerpunkt-Kontrollen bei Zugverkehr in Österreich
Unterdessen wird an den Grenzen zu den Nachbarländern der Zugsverkehr in Österreich "schwerpunktartig" kontrolliert. Besonders nach Hinweisen über illegale Grenzübertritte werden die Stichproben intensiviert. Eine lückenlose Überprüfung des Personenverkehrs gibt es aber nicht, sagte Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck.
Nach vermehrten Aufgriffen von Flüchtlingen in Tirol werden an der italienisch-österreichischen Grenze am Brenner in Kooperation zwischen ÖBB und Polizei die Güterzüge kontrolliert. Die Güterzüge sollen vorwiegend in den Nachtstunden angehalten und durchsucht werden. Während dieser Kontrollen muss laut Polizei aus Sicherheitsgründen der Zugverkehr in beide Richtungen eingestellt werden. Für den Personenverkehr sollte es durch die Kontrollen zu keinen Einschränkungen kommen.
Der mutmaßlicher Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri war nach dem Anschlag in Berlin am Montagabend offenbar ungehindert nach Frankreich und anschließend per Bahn nach Italien gereist. Vor dem Bahnhof von Sesto San Giovanni, einem Vorort von Mailand, wurde der 24-jährige Tunesier Freitagfrüh von italienischen Polizisten erschossen. Amri hatte keinerlei Dokumente bei sich, teilten die italienischen Behörden mit.
Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt im Herzen Berlins fahnden Ermittler europaweit nach Anis Amri. Doch mehrere Spuren des dringend verdächtigen Tunesiers führen ganz in die Nähe des Tatortes - in den Stadtteil Moabit.
In einem Industriegebiet in dem früheren Arbeiterviertel bemächtigte sich der 24-Jährige am Montagnachmittag wohl des Sattelschleppers, mit dem er neben der Gedächtniskirche ein Blutbad anrichtete. Die Fahnder haben seine Fingerabdrücke auf dem Lastwagen gefunden. Nun tauchen Bilder einer Überwachungskamera auf, die den Tatverdächtigen nicht weit entfernt vor einem Salafisten-Treffpunkt zeigen sollen - wenige Tage vor und vor allem nur Stunden nach dem Anschlag.
Rückblende: Ein polnischer Spediteur hatte nach dem Anschlag berichtet, sein Fahrer habe den Lkw am Montagnachmittag in dem Moabiter Industriegebiet geparkt, um aus Italien importierte Stahlkonstruktionen am Dienstag auszuladen. Seit 16.00 Uhr, also rund vier Stunden vor dem Anschlag, sei der Fahrer nicht mehr erreichbar gewesen.
GPS-Daten zeigten, dass der Laster danach mehrmals gestartet worden sei, berichtete der Sender TVN24 unter Berufung auf die Spedition. Polnische Medien vermuteten, dafür könnte der mutmaßliche Lkw-Dieb und Attentäter verantwortlich sein.
Gegen 19.45 Uhr habe der Lastwagen dann seinen Standort in Moabit verlassen, etwa eine Viertelstunde später raste er in die Budengasse des Weihnachtsmarkts und hinterließ eine Schneise der Verwüstung. Zwölf Menschen starben, darunter der Speditionsfahrer. Ob es einen Kampf in der Fahrerkabine gab und der Pole noch lebte, womöglich gar ins Lenkrad griff und Schlimmeres verhinderte, als der Sattelschlepper durch den Weihnachtsmarkt fuhr - alles noch offen.
Seit Donnerstagabend gibt es nun jene neuen Hinweise, die in die Nähe des Ausgangsorts des Anschlags weisen. Nach einem rbb-Bericht wurde der Terrorverdächtige Amri knapp acht Stunden nach dem Anschlag von einer Überwachungskamera an dem polizeibekannten Salafisten-Treffpunkt in Moabit gefilmt. Der Sender veröffentlichte Observationsbilder, die den Tunesier am frühen Dienstagmorgen vor dem Moschee-Verein "Fussilet 33" zeigen sollen. Die Berliner Polizei wollte den Bericht nicht kommentieren und verwies auf die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe.
Weitere vom rbb veröffentlichte Observationsbilder weisen ebenfalls nach Moabit. Sie sollen den Tunesier an derselben Stelle am 14. und 15. Dezember zeigen. Zu sehen sind schwarz-weiße und etwas unscharfe Standbilder, die einen Mann in dunkler Jacke und mit dunkler Mütze zeigen. Ort der Observation ist die Gebäude-Vorderseite des Moschee-Vereins - auf der anderen Seite der Straße liegt eine Dienststelle der Polizei.
Ein Spezialeinsatzkommando stürmte den Islamistentreffpunkt Donnerstag früh nach dpa-Informationen auf der Suche nach Amri. Die Moschee soll einer der Anlaufpunkte des Tunesiers in der Hauptstadt gewesen sein. Nach einem Bericht der "Berliner Zeitung" benutzten die Polizisten bei dem Einsatz gegen den Moschee-Verein Blendgranaten, eine Tür wurde aufgesprengt. Am Abend war sie notdürftig repariert.
Im jüngsten Bericht des Berliner Verfassungsschutzes wird der Moschee-Verein "Fussilet 33" als Treffpunkt von Islamisten geführt. Beim Islamunterricht sollen dort Muslime - meist Türken und Kaukasier - für den bewaffneten Kampf der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in Syrien radikalisiert worden sein. Auch sei Geld für Terroranschläge in Syrien gesammelt worden. 2015 hatte die Polizei die Räume schon einmal gestürmt. Ein Imam saß zeitweise in Untersuchungshaft.
Nur etwa 500 Meter Luftlinie liegen zwischen der Moschee an der viel befahrenen Perleberger Straße und dem Industriegebiet am Friedrich-Krause-Ufer, wo der polnische Lkw vor dem Anschlag parkte. Zu Fuß braucht man vielleicht eine Viertelstunde für die Strecke, mit dem Rad dürften es keine fünf Minuten sein. Welche Verbindungen es tatsächlich zwischen beiden Orten gibt, werden die Nachforschungen der Polizei zeigen.
Einem weiteren Zusammenhang dürften die Ermittler ebenfalls nachgehen: Einige hundert Meter nördlich vom Friedrich-Krause-Ufer liegt die As-Sahaba-Moschee. Auch sie wird vom Berliner Verfassungsschutz zu den wichtigsten Treffpunkten der Salafisten-Szene in der Hauptstadt gezählt.
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