Belarus: Der letzte Diktator lässt verhaften

Alexander Lukaschenko
Die Weißrussen demonstrieren ohne Ende und diskutieren, ob sie es unter Putin besser hätten

Alexander Lukaschenkos Schergen gehen mit immer brutalerer Gewalt gegen die friedlichen Demonstranten vor, die seit nunmehr sieben Wochen gegen den Diktator Weißrusslands (Belarus) demonstrieren. Polizei und Militär stehen stramm hinter dem 66-Jährigen, doch in den unteren Rängen gärt es.

Das glauben zumindest viele Demonstranten, die sich mit Blumen vor die Soldaten und Polizisten stellen. „Wir sind nicht naiv“, sagt der IT-Experte Vitalij. „Alles hängt jetzt natürlich von (Kremlchef) Wladimir Putin ab, ob er Lukaschenko weiter stützt, oder ob er ihn fallen lässt. Wir müssen jedenfalls weiter demonstrieren. Sonst ändert sich gar nichts. Mit seinen Verhaftungen kann er uns nicht mehr einschüchtern. Er kann ja nicht das ganze Volk ins Gefängnis werfen.“ Große Sorgen macht Vitalij allerdings, dass der Diktator immer wieder das Internet abdreht. Das entzieht ihm nämlich seine Geschäftsgrundlage.

Die EU spricht Lukaschenko aufgrund gefälschter Wahlergebnisse jegliche Legitimität ab, ist allerdings kein großer Player in Belarus. Geografisch gehört das Land mit 9,4 Millionen Einwohnern zum russischen Einflussbereich.

Darüber hinaus blockiert Zypern derzeit Sanktionen gegen Belarus (wegen des Gasstreits mit der Türkei und fehlender Sanktionen gegen Ankara). Die westlichen Diplomaten in Minsk sind daher zum Schweigen verurteilt. Im Hintergrund versuchen sie zu vermitteln.

Die österreichische Botschafterin in Minsk, Aloisia Wörgetter, tauchte am Montag mit ihrem lettischen und französischen Kollegen im Gericht von Minsk auf, als die Ikone der Protestbewegung, Maria Kolesnikowa, 38, dem Gericht vorgeführt wurde.

Belarus: Der letzte Diktator lässt verhaften

 Aloisia Wörgetter  mit ihren Kollegen aus Frankreich und Lettland im Gericht

Als Geheimpolizisten die Wohnung der einzigen weißrussischen Nobelpreisträgerin umstellten, meldeten sich die Diplomaten zum Besuch bei der alten Dame an: „Meine erste Begegnung mit Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Aleksejevich. Hätte mir andere Umstände gewünscht“, twitterte Wörgetter.

Kronprinz Kolja

Lukaschenko regiert sein Land wie ein Großbauer, schließlich kommt er aus der Landwirtschaft. In Sowjetzeiten leitete er eine Sowchose, einen staatlichen Großbauernhof.

Seinen jüngsten Sohn Kolja hat er zum Nachfolger erkoren. 2007 wurde Kolja, das ist der Kosename für Alexander, das erste Mal der Öffentlichkeit präsentiert. Seine Mutter, eine Ärztin, spielt keine repräsentative Rolle, und auch Lukaschenkos Ehefrau Galina, Mutter der beiden längst erwachsenen Kinder, lebt vom Göttergatten seit Jahrzehnten getrennt.

Nur dem kleinen Kolja durften die Weißrussen beim Wachsen zuschauen, als Bub stand er bei Militärparaden in Uniform an Papas Seite, wurde zu Staatsbesuchen mitgenommen, war beim Papst, bei der UNO-Vollversammlung 2015 in New York. Alexander Lukaschenko hat immer wieder betont, dass er auf Auslandsbesuchen Kolja keineswegs aus logistischer Not heraus mitschleppe, sondern der Reiseeifer von diesem selbst komme.

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Lukaaschenk baut seinen Sohn Kolja (16) zum  Nachfolger auf: Auch bei Putin ist er immer dabei

Überliefert ist die Geschichte, dass Kolja einmal im Zorn einer Stewardess in den Finger gebissen hat und ihr sagte, „wenn ich Minister bin, werde ich dich erschießen“.

Die Demonstranten in Minsk, Grodno, Gomel, Borissow werden mit Tränengas beschossen und niedergeknüppelt. Weil das Internet so oft ausfällt, werden die Proteste jetzt per Telefon koordiniert, berichtet Vitalij, der felsenfest davon überzeugt ist, dass die Demonstrationen noch sehr lange stattfinden werden. „So lange, bis der Diktator Platz macht.“

Anschluss an Russland

In Weißrussland wird bereits kontrovers darüber diskutiert, ob es nicht überhaupt besser wäre, wenn die Russen das Land annektierten. Denn dann könnten die Tausenden Beschäftigten im IT-Bereich wenigstens wieder Geld verdienen und in Ruhe ihre Aufträge aus dem Westen abarbeiten. Korrupter als unter Lukaschenko könne es wohl nicht werden.

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Lukaschenkos Gegenkandidatin: Svetlana Tichanowskaja
warb diese Woche in Brüssel um Unterstützung   

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