Barfuß im Schnee – aber Terkiyeh hat überlebt
Schnee ist für Terkiyeh eine neue Erfahrung – aber keine gute. Das achtjährige syrische Mädchen besitzt keine Schuhe mehr, seit sie und ihre Familie Hals über Kopf aus ihrer umkämpften Heimatstadt Homs fliehen mussten. Die vergangenen zwei Monate waren sie zumindest in Sicherheit, in einem baufälligen Zimmer, bis zu 16 Personen zusammengepfercht in einem feucht-stickigen Raum eines Abbruchhauses. Doch hier an ihrem Zufluchtsort, in der Bekaa-Hochebene im Libanon, kann der Winter sehr kalt werden. Vergangene Woche hat es geschneit – und Terkiyeh ist noch immer barfuß.
Sabine Wartha schnürt es die Kehle zusammen, wenn sie von dem kleinen syrischen Mädchen erzählt. Von ihr und all den anderen Zigtausenden Kindern, die auf der Flucht von Syrien in den Nachbarländern Jordanien und im Libanon gelandet sind. „Offiziell sind im Libanon rund 250.000 Flüchtlinge registriert“, erzählt Wartha, die Katastrophenhilfechefin der Caritas Österreich, „aber inoffiziell sind mindestens noch einmal genau so viele ins Land gekommen.“
Das bedeutet: Sie haben keinen Platz in einem betreuten Flüchtlingslager, sondern notdürftig Unterschlupf in privaten Garagen, Kellern, Abbruchhäusern oder alten Zelten gefunden. „Wenn es regnet“, schildert Wartha, „stehen die Zelte teilweise bis zu einem halben Meter im Wasser.“ Die große Mehrheit der Flüchtlinge sind Frauen und Kinder, während ihre Väter und Ehemänner wieder nach Syrien zurückgekehrt sind, um dort zu kämpfen. Wer hier im Libanon ausharrt, muss davon leben, was die Familie mitnehmen konnte – und das ist in den meisten Fällen wenig bis nichts.
Das Allernötigste
Besonders ihnen will die Caritas mit dem Allernötigsten helfen: Mit Pullovern, Schuhen, Decken, Öfen, Lebensmitteln. Doch die Spenden reichen bei Weitem nicht. Jeden Tag strömen noch mehr Flüchtlinge aus Syrien in die Nachbarländer. „Allein vergangenes Wochenende sind an die 5000 Menschen aus Syrien in den Libanon gekommen“, sagt Wartha. „Alle wollen wieder zurück in ihre Heimat“, hat die österreichische Katastrophenhelferin hundertfach von den Flüchtlingen gehört. „Aber alle wissen auch, dass es noch lange dauern wird.“
Mindestens 700.000 Syrer sind seit Ausbruch der Kämpfe vor beinahe zwei Jahren in die benachbarten Länder Jordanien, Türkei und den Libanon geflohen. Bis Sommer werden es bereits eine Million sein. In Syrien selbst irren zwei Millionen Menschen heimat- und obdachlos geworden im Land umher. Vier Millionen könnten ohne Hilfe von außen nicht mehr überleben.
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