Atomwaffen in Belarus: Kann Putin einfach auf den Knopf drücken?
Russlands Präsident Wladimir Putin droht regelmäßig mit Atombomben. Oft wird in „taktische“ und „strategische“ Atomwaffen eingeteilt. Warum das mit Vorsicht zu sehen ist.
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am Samstagabend im Staatsfernsehen angekündigt, in Belarus – seinem engsten Verbündeten - taktische Atomwaffen zu stationieren. Aus rein militärischer Sicht macht diese Stationierung wenig Unterschied zur derzeitigen Situation. Die mit atomaren Sprengköpfen bestückbaren Iskander-Raketen, die ab Anfang Juli einsatzbereit sein sollen, verfügen über eine Reichweite von 500 Kilometern.
Eher soll die Stationierung „den Westen abschrecken und von eigenen Fehlern ablenken“, wie der Politologe Maximilian Terhalle meint. „Sie sollen den Westen einschüchtern, seine Waffenlieferungen für die ukrainischen Offensiven 2023 weiterzuführen“, sagte er. Der Politologe betonte: „Wie 2022 wird Putin auch 2023 keine Nuklearwaffen einsetzen, weil er dadurch seine wichtigste Waffe, die Einschüchterung, die im Falle Deutschlands und der Panzerfrage erheblich die Nato beeinflusst hat, aus der Hand verlieren würde.“
Unabhängig davon, dass Putin sich mit einem Einsatz von Atomwaffen international weiter isolieren dürfte, beantwortet der KURIER die drängendsten Fragen zum Thema der nuklearen Bedrohung.
Angenommen, Putin will Atomwaffen einsetzen: Was wäre dafür notwendig?
Es gibt keinen roten Knopf, auf den man einfach draufdrücken könnte. In Russland herrscht das „Drei-Koffer-System“. Die „Koffer“, das sind der des Präsidenten Wladimir Putin, der Verteidigungsminister Sergei Schoigus und der Generalstabschef Waleri Wassiljewitsch Gerassimows – in jedem der Koffer befinden sich Codes, die für den Befehl zum Atomwaffeneinsatz autorisieren. Für einen Atomschlag braucht es die Zustimmung von zwei der drei Kofferträger.
Wo wäre ein russischer Atomwaffeneinsatz wahrscheinlich?
Bis dato hat sich Russland seit dem Angriff auf die Ukraine in puncto Atomwaffen- und Drohungen an die Regeln gehalten, hat beispielsweise bei einem Test der Sarmat-Rakete, die Nuklearsprengköpfe tragen könnte, die USA darüber informiert, dass dies ein Test sei und kein Grund zur Beunruhigung herrsche. Folgt man der Logik der Verhältnismäßigkeit, wäre eine Atombombenzündung über dem Schwarzen Meer wahrscheinlich, um ein Signal der Abschreckung zu senden.
Was ist der Unterschied zwischen strategischen und taktischen Atomwaffen?
Die durchaus schwammige Unterteilung wird in puncto Reichweite und Masse an Sprengkraft vorgenommen. Unter diesen Gesichtspunkten wäre auch die Atombombe von Hiroshima mit einer Sprengkraft von fünfzehn Kilotonnen als taktische Atomwaffe zu klassifizieren – immerhin gilt auch eine Atombombe mit vielfacher Kraft noch als „taktisch“. Während eine Atommacht mit einer strategischen Atombombe einen Krieg präventiv verhindern oder beenden möchte, soll eine taktische Atombombe etwa zur Vernichtung feindlicher Verbände genutzt werden. Der wahrscheinlichste Einsatz wäre jener von „Mini-Nukes“.
Was sind „Mini-Nukes“?
Taktische Nuklearsprengköpfe mit Detonationswerten bis maximal fünf Kilotonnen. Die Bezeichnung klingt harmlos – doch das ist ein Irrtum. Eine „Mini-Nuke“ mit 0,5 Kilotonnen Sprengkraft würde einen 3,2 Kilometer hohen Atompilz verursachen. Im Radius von 670 Metern würden alle Lebewesen sterben. Neben der Vernichtung feindlicher Verbände wäre ein Einsatz dieser Waffen auch zur Deckung von Rückzügen – also dem Verzögern des Feindes – denkbar.
Verschossen können „Mini-Nukes“ mit allen möglichen Waffensystemen zu Wasser, zu Land und in der Luft werden.
Über welches Arsenal an taktischen Atomwaffen verfügt Russland?
Knapp 2.000 taktische Nuklearwaffen befinden sich in russischer Hand – über die Detonationsstärke gibt es allerdings wenig Informationen. Dass einige davon weniger als fünf Kilotonnen Sprengkraft besitzen, ist stark anzunehmen.
Was würde eine Zündung von kleinen, taktischen Atomwaffen (kleiner als fünf Kilotonnen) in der Ukraine für Österreich bedeuten?
„Dann besteht nur bei schlechten Windverhältnissen die Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Abdrift mit einem stark verdünnten radioaktiven Niederschlag. Dabei ist von Vorteil, dass die stärkste Mini-Nuke einen Atompilz mit einer Wolkenobergrenze von nicht mehr als 6,4 Kilometern produziert und der radioaktive Fallout wahrscheinlich nicht über Jetströme weitläufig über halb Europa verstreut werden würde“, sagt Major Michael Schrenk vom ABC Abwehrzentrum des Bundesheeres zum KURIER. „Falls es überhaupt zu einem radioaktiven Niederschlag in Österreich kommt, wäre der Fallout um einige Potenzen geringer als 1986 beim Unfall im Kernkraftwerk von Tschernobyl.“
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