Atom-Deal war zum Greifen nahe

Nach zehnjährigem Stillstand wollten westliche Außenminister das Abkommen am Freitag finalisieren

Eigentlich war US-Außenminister John Kerry auf Nahost-Tour, um den sich schleppenden Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern neuen Schwung zu verleihen. Doch am Freitag kam es zu einer unerwarteten Planänderung. Die Gespräche über das iranische Atomprogramm in Genf hatten eine dramatische Wende zum Positiven genommen, sodass eine Teil-Übereinkunft noch am selben Tag zum Greifen nahe schien.

Kurzerhand jettete der amerikanische Chef-Diplomat in die Schweiz, um nach einem zehnjährigen Stillstand Nägel mit Köpfen zu machen. Unterstützt wurde er dabei von seinen Amtskollegen William Hague (Großbritannien), Laurent Fabius (Frankreich), Guido Westerwelle (Deutschland) und der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton. Doch nach seiner Landung bremste Kerry die Erwartungen: Es gebe noch große Differenzen.

Der Kompromiss

Atom-Deal war zum Greifen nahe
British Foreign Secretary William Hague arrives at Geneva International airport November 8, 2013. Iran and six world powers are making progress in negotiations aimed at ending a decade-long stand-off over its nuclear ambitions but the discussions are "tough", Tehran's foreign minister Mohammad Javad Zarif said on Thursday, after a first session in the two-day talks in Geneva. REUTERS/Denis Balibouse (SWITZERLAND - Tags: POLITICS ENERGY)
Nach zähem Ringen zwischen den Vertretern der fünf UN-Vetomächte (USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich) sowie Deutschland und dem Iran lag folgender Kompromissvorschlag auf dem Tisch: Teheran friert seine Atom-Ambitionen für sechs Monate ein, im Gegenzug sollen Teile der internationalen Sanktionen gelockert werden, unter denen das Land zuletzt massiv gelitten hat. In einem zweiten Schritt soll ein umfassendes Abkommen ausverhandelt werden, das sicherstellt, dass der Iran nicht unter dem Deckmantel eines zivilen Atomprogrammes an der Entwicklung von Nuklearwaffen forscht.
Dem Vernehmen nach soll Teheran angeboten haben, Uran nicht mehr wie bisher auf 20 Prozent, sondern nur noch auf fünf Prozent anzureichern. Der Westen verlangte zudem, das schon höher angereicherte Uran unter Aufsicht zu stellen, die Arbeiten an dem Schwerwasserreaktor in Arak ebenso. Dem Iran wurde in Aussicht gestellt, dass gesperrte ausländische Bankkonten, auf denen Gelder aus dem Ölgeschäft deponiert sind, wieder freigegeben werden könnten.

„Erleichterungen“

Atom-Deal war zum Greifen nahe
epa03940792 French Foreign Minister Laurent Fabius (R) arrives for the second day of closed-door nuclear talks at the United Nations (UN) offices in Geneva Switzerland, 08 November 2013. The five permanent members of the UN Security Council plus Germany are negotiating with Iran on short-term curbs to the country's nuclear programme in return for the suspension of sanctions. EPA/MARTIAL TREZZINI / POOL
US-Präsident Barack Obama hatte dies bereits am Donnerstag so formuliert: Es könnte zu „begrenzten, gezielten und umkehrbaren Erleichterungen“ für den Iran kommen, die aber nicht die „Sanktionsarchitektur“ beträfen. Sollte Teheran seinen Verpflichtungen nicht nachkommen, würden die Strafmaßnahmen nochmals verschärft werden.

Die meisten politische Beobachter sind sich einig, dass ein etwaiger Atom-Deal mit dem Iran auch zu einer historischen Wiederannäherung zwischen Washington und Teheran führen könnte. Seit der Wahl des gemäßigten Hassan Rohani zum iranischen Präsidenten haben sich die Beziehungen zwischen den zwei Ländern deutlich entspannt. Das führte unter anderem dazu, dass es in diesem Jahr erstmals seit der Islamischen Revolution 1979 durch Ayatollah Khomeini zu einem ausführlichen Gespräch der beiden Staatsoberhäupter kam – zunächst allerdings nur per Telefon.

Atom-Deal war zum Greifen nahe
epa03940710 Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu makes a statement to the press about Iran after a meeting with US Secretary of State John Kerry at Ben Gurion Airport near Tel Aviv, Israel, 08 November 2013. Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu on 08 November lashed out at world powers for seeking to clinch an initial nuclear deal with Iran, as US Secretary Kerry was flying to Geneva to help secure an agreement. The five permanent members of the UN Security Council plus Germany are negotiating with Iran on short-term curbs to the country's nuclear programme in return for the suspension of sanctions. 'Iran got the deal of the century and the international community got nothing ... Israel utterly rejects it,' Netanyahu said after meeting Kerry at Tel Aviv airport, from where the US leader headed to Switzerland. EPA/DEBBIE HILL / POOL
Israel ist strikt gegen diese Entwicklungen – und auch gegen das mögliche Atomabkommen. „Ich bin völlig fassungslos. Das ist ein monumentaler Fehler“, schimpfte Premier Benjamin Netanyahu, als der Genfer Kompromiss in Reichweite schien, „für den Iran ist das der Deal des Jahrhunderts, weil er nichts gibt und den ganzen Druck aus dem Dampfdruckkocher der Sanktionen herausbekommt.“ Die Sanktionen würden aufgehoben, und „der Iran hat nichts gegeben“, so der israelische Regierungschef.

Er werde sich jedenfalls nicht an eine mögliche Vereinbarung der internationalen Gemeinschaft mit Teheran im Atomkonflikt binden lassen. Israel hatte in der Vergangenheit immer wieder mit Militärschlägen gedroht, um den Iran an der Entwicklung einer Atombombe zu hindern.

Die Atommächte im Überblick

Atom-Deal war zum Greifen nahe

Es mag der Durchbruch sein oder auch nur ein erster Schritt – heraus aus einem der gefährlichsten Konflikte der Welt. Optimismus ist in jedem Fall angebracht. Darüber, dass der Iran offenbar bereit ist, sein vom Westen und Israel so gefürchtetes Atomprogramm offenzulegen. Zehn Jahre voller Krisen, Drohungen, Sanktionen und Kriegsgefahr hat es gedauert, bis Teheran unter seinem neuen, moderaten Präsidenten Rohani zu einer Wende bereit war. Zu einer Kursänderung in Richtung eines angepeilten Deals, in dem ein für alle mal festgeschrieben sein muss: Der Iran wird keine Atomwaffen bauen.

Dass die internationale Staatengemeinschaft und auch der Iran diesen Deal nun wollen, heißt aber nicht, dass es leicht wird. Denn auf sein Recht, Uran anzureichern, wird der Iran nicht verzichten. In anderen Worten: Die theoretische Kapazität, Atomwaffen zu entwickeln, will sich der Gottesstaat erhalten. Dies scheinen nun die verhandelnden Staaten abzunicken, bestehen aber darauf, jederzeit UN-Inspektoren ins Land schicken zu dürfen, um immer vollständige Kontrolle zu haben. Israel ist das zu wenig und lehnt den Deal ab. Überzeugt werden müssen aber nun vor allem zwei Seiten: Irans oberster religiöser Führer, Hardliner Ayatollah Khamenei, und der US-Kongress. Denn dieser entscheidet letztlich darüber, ob die Wirtschaftssanktionen aufgehoben werden und der Iran damit für seinen neuen Kurs belohnt werden soll.

Der UN-Sicherheitsrat hat seit 2006 in mehreren Resolutionen Sanktionen gegen den Iran verhängt. Damit sollte das Atomprogramm gestoppt werden. Die Liste sieht unter anderem Reiseverbote für iranische Atomwissenschaftler und für Mitglieder und Angehörige der Revolutionsgarden vor. Dazu kommen Kontensperrungen und Handelsbeschränkungen. Der Verkauf von Panzern und Kriegsschiffen an den Iran ist verboten.

Die EU verbietet seit 2007 die Ein- und Ausfuhr von Waffen, Technologie zum Bau einer Atombombe oder für Telekommunikation. Verboten wurden auch Investitionen in die Öl- und Gasindustrie sowie Finanzhilfen. Banktransaktionen mit dem Iran werden strikt überwacht. Frachtlieferungen werden kontrolliert, iranische Frachtflugzeuge dürfen in der EU nicht landen.

Die USA verhängten bereits vor mehr als 30 Jahren, seit der Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran 1979 erste Strafen gegen den Iran. 1995 ließ der damalige Präsident Bill Clinton ein Handelsembargo folgen, 2010 wurden erstmals Sanktionen gegen führende Mitglieder des Regimes wegen Menschenrechtsverstößen erlassen. Seit 2011 gelten US-Sanktionen gegen die petrochemische Industrie, im Februar 2013 wurden Rundfunkunternehmen auf den Index gesetzt wegen Zensur.

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