Die Obergrenze, ein politisches Phantom

Ein Asylwerber in Traiskirchen
Österreich hat sie seit 2016, nun zieht Deutschland bei der Obergrenze nach. Doch die Regelwerke sind löchrig, und die Limits werden ohnehin nicht erreicht: In Österreich werden bis Jahresende nur 25.000 Asylanträge erwartet.

Irgendwie fühlt man sich an Österreich vor zwei Jahren erinnert: Als Angela Merkel und Horst Seehofer, die Chefs von CDU und CSU, am Montag ihr "Regelwerk zur Migration" präsentieren, haben ihre Aussagen auffallend viele Parallelen zu jenen Reinhold Mitterlehners und Werner Faymanns. Die beiden hatten im Jänner letzten Jahres die Obergrenze von 37.500 Asylwerbern pro Jahr paktiert, diese später noch auf 35.000 gesenkt. Faymann sprach da von einer "Notlösung", Mitterlehner von "Notwendigkeit". Bei den Deutschen ist es ähnlich: Der CSU-Chef freut sich, seine seit Ewigkeiten geforderte Deckelung auf 200.000 Asylsuchende pro Jahr zu bekommen, die Kanzlerin versucht zu kaschieren, dass sie das nicht will.

Die Parallelen enden damit aber nicht. Auch die Modelle gleichen einander frappant: Zum einen gilt für beide, dass die Regelung einen "atmenden Deckel" hat; also in Notlagen überschritten werden darf – bei Person 35.001 in Österreich ebenso wie bei Asylwerber Nummer 200.001 in Deutschland. Zum anderen klingt das Limit viel restriktiver als es ist: Zu den 200.000 Personen zählen nämlich alle Gruppen von Flüchtenden abzüglich jener, die abgeschoben wurden, per Dublin-Verordnung eigentlich in einem anderen EU-Staat sein sollten oder freiwillig zurückreisen. Diese Zuordnungen sind schon jetzt mehr als kompliziert – und werden eine laufende Berechnung nahezu unmöglich machen.

Limits in weiter Ferne

Dazu kommt ein weiterer Faktor, der zumindest das deutsche Modell eher zur Beruhigungspille denn zum tatsächlichen Begrenzungsinstrument werden lässt: Von der Erreichung des Limits ist man derzeit weit entfernt. Bis inklusive August 2017 kamen in Deutschland etwa 136.000 Asylsuchende an; und diese Zahl wird eher sinken als steigen: Schon seit eineinhalb Jahren liegt die Zahl der Ankommenden bei maximal 15.000 monatlich, an der deutsch-österreichischen Grenze sind es ohnehin nur mehr 1500 im Schnitt, so Nicole Bellinghausen von der deutschen Bundespolizei.

Auch in Österreich wurden im Vorjahr, als noch eine Obergrenze von maximal 37.500 Asylverfahren galt, nur 32.114 Asylanträge gestellt. Für die Obergrenze gezählt werden aber ohnehin nur jene, die zum Verfahren zugelassen wurden – und das waren nur 26.419.

Heuer nur 25.000

Die Obergrenze, ein politisches Phantom
Grafik Foto: APA/Erwin Scheriau
Von Jänner bis August dieses Jahres waren es noch weniger: 35.000 Menschen dürfen heuer maximal zum Asylverfahren zugelassen werden; bislang haben aber nur 17.095 Personen einen Antrag gestellt (übrigens vorwiegend aus Syrien und Afghanistan), zu einem Asylverfahren ist es in nur 12.019 Fällen gekommen.

"Wir haben seit Monaten eine relativ stabile Antragszahl, die über mehrere Monate innerhalb einer statistischen Schwankungsbreite bleibt", sagt auch Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums. "Aktuell haben wir keine konkreten Hinweise, dass sich dabei signifikante Änderungen ergeben."

Rechnet man die Zahlen von Jänner bis August dieses Jahres auf das gesamte Jahr hoch, werden bis Jahresende insgesamt etwa 25.000 Asylanträgen erwartet. Das heißt, auch in diesem Jahr wird allein die Zahl der Asylanträge bei Weitem unter der Obergrenze liegen, die sich die Politik selbst verordnet hat.

Senkung denkbar

Das heißt aber nicht, dass diese ohnehin flexible Obergrenze nicht noch senkbar ist. Schon heuer im Jänner verkündete Reinhold Mitterlehner, damals noch Vizekanzler für die ÖVP, die Flüchtlingsobergrenze von 35.000 auf 17.000 reduzieren zu wollen. 17.000 Asylverfahren seien "wesentlich mehr als der Schnitt" in den vergangenen 15 Jahren, argumentierte er damals – die Zahl entspreche dem , "was wir im Rahmen der Integration vertragen können".

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