Analyse: Deshalb nimmt die PLO die Anerkennung Israels zurück

Analyse: Deshalb nimmt die PLO die Anerkennung Israels zurück
Das steckt hinter der Annullierung der Oslo-Verträge durch die Palästinensische Befreiungsorganisation.

In Ramallah hat der Zentralrat der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) die Aufhebung der Anerkennung Israels durch die palästinensische Autonomieregierung (PA) gefordert. Wie auch die Einstellung der Koordination in Sicherheitsfragen und der wirtschaftlichen Beziehungen mit Israel. Kurz: Es geht um die Annullierung der Oslo-Verträge. Die von der PLO 1993 ausgehandelt und unterzeichnet wurden. Ein grellrot flackerndes Alarmsignal in Richtung Israel. Dessen Umsetzung jedoch letzten Endes von Mahmud Abbas abhängt. Er ist Chef der PLO, aber auch Präsident der PA. Ähnliche Beschlüsse hat er in der Vergangenheit schon mehrfach ignoriert.

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Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas

„Bis zur Anerkennung eines palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967“, soll die Einstellung der Beziehungen zu Israel andauern, heißt es in der Erklärung. Mit diesem Beschluss schließt sich der PLO-Zentralrat formell den militanten palästinensischen islamistischen Gruppierungen wie Hamas und Dschihad an. Sie lehnten die Oslo-Verträge von Anfang an ab. Sie sind auch nicht Mitglieder des PLO-Dachverbandes. Doch auch innerhalb der PLO gibt es Gruppen, die Oslo ablehnen. Von den 130 Delegierten des Zentralrates, dem zweitwichtigsten Gremium der PLO, waren nur 100 in Ramallah mit dabei.

Was auf ersten Blick wie ein Schulterschluss der Fatah-Organisation von Abbas mit den radikaleren Verweigerern in und außerhalb der PLO aussieht, ist letztlich aber eine Verschärfung der inneren palästinensischen Konflikte. Abbas geht es nicht um die immer wieder beschworene „innere Aussöhnung“ der Palästinenser. Es geht vielmehr um die Wiederherstellung der PA-Herrschaft im Gazastreifen, die die Fatah-dominierte PA 2007 durch einen Putsch der Hamas verloren hat. Auch Hamas hat kein wirkliches Interesse an einer Versöhnung. Weit wichtiger ist hingegen die Stabilisierung ihrer Macht in Gaza. Sie fordert vor allem ein Ende der internationalen Sanktionen, die den Alltag im Gazastreifen immer spürbarer erschweren.

Abbas betonte daher in Ramallah am Sonntag: „Es wird keinen getrennten Staat in Gaza geben und keinen palästinensischen Staat ohne Gaza.“ Er glaubt, die Herrschaft der Hamas im Gazastreifen durch eigene Sanktionen entscheidend erschüttern zu können. Dass die Hamas im Gegenzug die Spannungen mit Israel verschärft, ist für ihn kein Grund einzulenken. Im Gegenteil.

Seit März organisiert Hamas Massenproteste unter dem Namen „Marsch der Rückkehr“ am Grenzzaun zu Israel. Wobei es ständig zu Brandstiftungen und Sprengstoffanschlägen gegen die Anrainer-Dörfer in Israel kommt. Wiederholt auch zu Angriffen mit Raketen gegen Israel. Über 200 Palästinenser wurden dabei seit März durch israelische Scharfschützen oder Luftangriffe getötet.

Analyse: Deshalb nimmt die PLO die Anerkennung Israels zurück

Diese Proteste kamen, nachdem die PA im Februar weitgehend Gehaltszahlungen an ihre Beamte und Einrichtungen im Gazastreifen eingestellt hatte. Wovon auch Krankenhäuser und Schulen betroffen sind. Mit der gleichzeitigen Kürzung der Gelder an das Flüchtlingshilfswerk UNRWA durch die US-Regierung kam es zu einer weiteren Verschlechterung der Versorgung des Gazastreifens. Israels Militär warnt schon seit 2017 vor einer drohenden humanitären Katastrophe im Streifen. Würde diese doch neue Gewalt gegen Israel schüren.

Ägypten versucht seit Monaten zwischen Hamas, Israel und Fatah ein Übereinkommen zu vermitteln, das langfristige Ruhe zwischen Hamas und Israel bringen soll. Was aber bislang am Widerstand der PA und Abbas scheiterte. Sie sehen in diesen Verhandlungen eine Aufwertung der Hamas. „Hamas kollaboriert mit dem Feind“, schimpfte Abbas in seiner Rede vor dem Zentralrat, Israel wolle „durch die Abspaltung Gazas die endgültige Spaltung der Palästinenser erreichen“. Hamas wiederum sieht in Abbas den Handlanger Israels

"Ein Kompromiss mit Hamas wäre ein Preis an den Terror."

von David M. Friedman

US-Botschafter in Israel

Israels Regierung steckt somit in einem Dilemma. Sie will keinen Krieg auf breiter Front im Gazastreifen. Selbst nach Raketeneinschlägen reagierte Israel „im Rahmen des Üblichen“. Mit Bombardierung von Hamas-Stellungen oder Einrichtungen anderer Milizen, die meist schon zuvor von ihren Insassen vorsorglich geräumt wurden. Ein Kompromiss mit Hamas, auch ein informeller und indirekter, verstößt gegen Israels Grundsatz, nicht mit Terroristen zu verhandeln. Auch der amerikanische Botschafter in Israel David M. Friedman bekräftigte bereits: „Ein Kompromiss mit Hamas wäre ein Preis an den Terror.“ Israels Premier Benjamin Netanyahu sieht aber zurzeit in der Lage an der syrischen Grenze und der iranischen Präsenz in Syrien das dringendere Problem.

Das Militär empfiehlt als Ausweg aus diesem Dilemma von Ägypten vermittelte Zugeständnisse an Gaza. Sie sollen vor allem der Zivilbevölkerung helfen. So soll die Stromversorgung wieder 24 Stunden arbeiten und sogar Baumaterialien könnten geliefert werden, ohne dass Hamas sie zur eigenen Aufrüstung zweckentfremden könnte. Jedoch müssten dann auch die seit langem stockenden Verhandlungen mit der PLO wieder erneuert werden, die sonst ihre Bedeutung verlieren würde. Womit Israels Regierung und Premier Benjamin Netanyahu aber ihre Probleme haben. 

Wie auch der PLO-Zentralrat. Abbas lehnte in Ramallah den angekündigten aber noch unbekannten US-Friedensplan am Sonntag rundweg ab. Obwohl US-Präsident Donald Trump diesen als „Jahrhundert-Deal“ mit Zugeständnissen vor allem an die Palästinenser bereits gepriesen hat. Die USA kommen für Abbas als Unterhändler nicht mehr in Frage., nachdem sie Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt haben. „Ost-Jerusalem bleibt die Hauptstadt der Palästinenser“, bekräftigte er. Doch nicht allein Jerusalem ist das Problem. Die Anerkennung Jerusalems hat bislang nur wenig Nachahmer weltweit gefunden.

Trotzdem warnte Abbas: „Wir stehen vor einer wichtigen Weggabelung, vielleicht die gefährlichste in unserer Geschichte.“ Geht es doch nicht nur um die PLO und ihren schwindenden Einfluss. Trumps Politik gegenüber der Flüchtlingsfrage und der UNRWA-Hilfe hat international mehr Aufmerksamkeit geweckt, als die Verlegung der Botschaft nach Jerusalem. Immer mehr verstärkt sich auch andernorts die Einsicht, dass die UNRWA und die Vererbung des Flüchtlingsstatus von einer palästinensischen Generation auf die andere, das Flüchtlingsproblem der Palästinenser nicht löst, sondern verewigt. Keine andere Flüchtlingsgruppe hat darauf Anspruch. Auch ehemalige UNRWA-Mitarbeiter beklagen dies schon öffentlich.

Analyse: Deshalb nimmt die PLO die Anerkennung Israels zurück

Für Israel wäre die Einstellung der Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen mit der PA wohl das spürbarste Problem. Aber ein Problem, mit dem Armee und Geheimdienste fertig werden können. Dagegen könnte die Einstellung der Zusammenarbeit für die PA zur existenzielles Frage werden. Die PA ist durch die Grundsatzerklärungen von Oslo entstanden. Sie würde durch deren Einstellung eigentlich ihre Berechtigung verlieren. Die Zusammenarbeit mit Israel hat nachweislich Terror-Anschläge in Israel verhindert. Aber auch einen ständig drohenden Putsch der Hamas im PA-Gebiet des Westjordanlandes. Ganz nach Vorbild des Putsches 2007 in Gaza.

Auch wirtschaftlich wäre ein Abbruch der Beziehungen mit Israel für die PA kaum zu verkraften. Bei aller Verworrenheit der Lage im Dreieck zwischen Hamas, PA und Israel ist eines klar: Die palästinensische Zivilbevölkerung müsste durch die angekündigten Maßnahmen wieder einmal den größten Schaden einstecken. Zusammen mit den israelischen Grenzbewohnern am Gazastreifen.

Abbas hat somit viele Gründe, die Forderungen des Zentralrats wieder einmal auf die lange Bank zu schieben. Kein Grund aber für Netanyahu, ohne jede eigene Initiative weiterhin neue Verhandlungen im Eiskeller abzustellen. Nicht nur die Lage am Gazastreifen ist von ihnen abhängig. Auch die im Norden, wo derzeit iranische Revolutionsgarden bereits neu Stellung beziehen.

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