Als ein mächtiger Republikaner Donald Trump zum Rücktritt drängen wollte
Auf Twitter hat in Amerika gerade der Hashtag „ohne Rückgrat“ (spineless) Hochkonjunktur. Er zielt auf den mächtigsten Republikaner im US-Repräsentantenhaus: Kevin McCarthy.
Der umtriebige Kalifornier will im Herbst, wenn die Konservativen bei den Zwischenwahlen die Mehrheit erringen sollten, die Demokratin Nancy Pelosi verdrängen und als neuer „speaker“ der Parlamentskammer formal zur Nr. 3 im Staate aufsteigen.Der Plan mit dem Karrieresprung hat einen Haken. Ein Telefon-Mitschnitt weist ihn als abgefeimten Lügner aus.
Das hat mit Ex-Präsident Donald Trump zu tun. Und dessen geistiger Urheberschaft für die Erstürmung des Kapitols am 6. Jänner 2021. Kurz danach, so steht es in einem Anfang Mai erscheinenden Buch der New York Times-Journalisten Jonathan Martin und Alex Burns, bedeutete McCarthy hochrangigen Parteifreunden, dass er Trump, der damals in den letzten Tagen seiner Präsidentschaft war, zum Rücktritt drängen wolle. Selbst ein Amtsenthebungsverfahren schloss er nicht aus.
"Ich hab's satt mit diesem Kerl"
Unmissverständliche Begründung: „Ich hab’s satt mit diesem Kerl. Was er getan hat, ist unakzeptabel. Niemand kann das verteidigen und niemand sollte das verteidigen.“
Kaum war die als Appetit-Häppchen vor der Buch-Veröffentlichung gezündete Bombe explodiert, ließ McCarthy dementieren und die Journalisten abmeiern: Fake News. Alles falsch. Habe ich nie gesagt. Problem: Alles stimmte. Wie der Mitschnitt eines Telefonats belegt, das McCarthy am 10. Jänner mit der (wegen ihrer beißenden Kritik an Trump inzwischen zur Paria ausgegrenzten) Parteikollegin Liz Cheney führte.
McCarthy prognostizierte dabei sogar, dass eine nachträgliche Amtsenthebung Trumps in beiden Häusern des Kongresses Zustimmung finden würde. Am 13. Jänner sagte McCarthy live im Kongress aus, dass Trump Verantwortung für den Gewaltausbruch trage. Klarer geht es kaum.
Umso schriller war der Kontrast, als der aus Bakersfield stammende Politiker wenige Wochen nach dem blutigen Aufstandsversuch marodierender Trump-Anhänger in Washington nach Mar-a-Lago flog, um am Sommersitz Trumps den Ring des Partei-Paten zu küssen.
Trumps Vorsteherhund
Seither füllte McCarthy konstant die Rolle des Vorsteherhundes aus, der Trumps Tiraden von der angeblichen „gestohlenen Wahl“ 2020 verteidigt. Warum? Ohne Trump als Königsmacher könnte McCarthy seine Ambition auf den „speaker“-Posten vergessen.
Als seine Lüge zur besten TV-Sendezeit offensichtlich wurde, schaltete McCarthy sofort auf Schadensbegrenzung um – und rief Trump an. Es bestand die akute Gefahr, dass der bei persönlichen Angriffen sehr empfindliche Egomane ihn öffentlich sehr spontan verbal einen Kopf kürzer macht.
Am Wochenende war er zunächst friedlich. Was McCarthy da zu Liz Cheney gesagt hat, habe ihm nicht „gefallen“, ließ er das Wall Street Journal wissen. Aber dass ihn der liebe Kevin letztlich ja nie zum Rücktritt gedrängt hat, das empfinde er als „Kompliment“. Was die Vermutung auslöste, er könnte auf Anraten seiner Strategen die Rache kalt genießen wollen. Hieße: Den möglichen Wahlsieg der „Reps“ im Herbst abwarten. Und dann McCarthy eiskalt abservieren.
Kommentare