Alle gegen Trump: Wie links darf der Demokraten-Kandidat sein?

Bei den Demokraten haben für die Wahl 2020 derzeit die Progressiven die Nase vorn. Ein Grund: Die Konkurrenten bilden ein Team

Team-Building ist im amerikanischen Präsidentschafts-Vorwahlkampf normalerweise ein Tabu. Man kämpft für sich selbst. Und versucht, der parteiinternen Konkurrenz nach Kräften Beulen zu verpassen.

Elizabeth Warren (70) signalisierte Dienstagabend schon zu Beginn der TV-Debatte im barocken Fox Theatre von Detroit, dass sie diese Erwartungshaltung unterlaufen würde. Ihr langjähriger Waffenbruder im Kampf für ein sozial gerechteres Amerika, Bernie Sanders (77), bekam vor laufender Kamera einen emphatischen Schulterklaps. Im Stile eines Nichtangriffspaktes unter Senioren bildeten die Neu-Engländer in den von CNN live übertragenen zweieinhalb Stunden danach eine dichte Front gegen die Attacken und Nadelstiche der anderen acht demokratischen Aspiranten für die 2020-er Kandidatur gegen Amtsinhaber Donald Trump.

Alle gegen Trump: Wie links darf der Demokraten-Kandidat sein?

Joe Biden

Joe Biden (76)  war anfangs aussichtsreichster Kandidat der Demokraten – auch, weil er auf die konservativeren Wähler zählen konnte. Doch sein schlechtes Abschneiden bei der ersten Debatte hat seinem Image und seinen Chancen schwer geschadet.

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Bill de Blasio

Bill de Blasio (58) Der Bürgermeister New York Citys und politischer Ziehsohn der Clintons gilt als links der Mitte und  ist ausgesprochener Fan von Bernie Sanders.   Seine Umfragewerte sind schwach.

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Pete Buttigieg

Pete Buttigieg (37) mangelt es  gegenüber vielen anderen Kandidaten noch an Bekanntheit. Doch der frühere Unternehmensberater gilt pragmatischer Politiker, der als Bürgermeister von South Bend in Michigan vor allem jene Wähler ansprechen könnte,  die die Demokraten 2016  an Trump verloren

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Kamala Harris

Kamala Harris (54) machte durch ihre Befragung des Supreme-Court-Richters Brett Kavanaugh von sich reden und erhöhte ihre Chancen spätestens in der ersten Demokraten-Debatte, als sie Favorit  Biden  in die Schranken wies.

Alle gegen Trump: Wie links darf der Demokraten-Kandidat sein?

Elizabeth Warren

Elizabeth Warren (70)   hat große thematische Schnittmengen mit Sanders. Auch sie wird dem linken Flügel der Demokratischen Partei zugeordnet. Ihr werden gute Chancen eingeräumt.

Deren Mantra war klar: Wer (wie Sanders und Warren) Revolution predigt, illegale Grenzübertritte entkriminalisieren, Flüchtlingen kostenlose Krankenversicherung gewähren, Studenten großzügig Kreditschulden stunden und dem Klimawandel mit einem radikalen „New Green Deal“ beikommen will, der treibt unabhängige und unentschlossene Wähler geradezu in die Arme Trumps. Wer einer staatlich-gesetzlichen Krankenkasse („Medicare for All“) das Wort redet und damit in Millionen mehr oder weniger zufriedenen Privat-Versicherten Existenz- und Bürokratieängste weckt, der verlängert Trumps Mietvertrag im Weißen Haus um weitere vier Jahre. Was die nach wie vor ungelöste Kern-Frage der Demokraten für die Zeit bis zur Wahl in 15 Monaten wieder ins Rampenlicht schiebt: Wie links darf man sein, um den Populisten Trump verdrängen zu können?

Das Duo Sanders/Warren parierte die Angriffe mit verteilten Rollen. Während Sanders seinen Sozialisten-Status stolz wie ein Emblem am Revers trägt, gibt sich Warren als Verfechterin eines „regelbasierten Kapitalismus“. In der Sache passt kaum ein Blatt zwischen die beiden Senatoren, die in Umfragen zurzeit gemeinsam auf 30 Prozent Zustimmung kommen. Die Unterschiede sind stilistischer Natur.

Wo Sanders mit rotem Kopf schnell ins Rumpelstilzchenhafte abdriftet, wenn die parteieigene Konkurrenz politische Tippelschritte propagiert, nutzt Warren das rhetorische Florett. Als der ehemalige Kongress-Abgeordnete John Delaney, der nicht mehr als einen Prozentpunkt Zustimmung auf die Waagschale bringt, zum x-ten Mal dafür warb, „echte Lösungen“ zu verfolgen und nicht „unmögliche Versprechungen“, ließ die Professorin ihm unter starkem Beifall die Luft raus. „Ich verstehe nicht, warum jemand sich all die Mühe macht und als Präsidentschaftskandidat bewirbt, um dann darüber zu sprechen, was wir wirklich nicht machen können und wofür wir nicht kämpfen sollten“.

Wer nur an den Stellschrauben des Systems drehen wolle, sagte Warren, verkenne, dass das herrschende Wirtschaftssystem weite Teile der Bevölkerung strukturell zu Gunsten der Reichen und Superreichen benachteilige. Nur „große Veränderungen“ könnten dem beikommen. Alles andere sei „rückgratlos“.

Den Vorwurf, sie betrieben „Märchen-Wirtschaftspolitik“, konterten Sanders und Warren mit hohen Zustimmungswerten, die ihre Konzepte bislang bei Wählern links der Mitte erhalten. Zweifel an der Seriosität bügelten sie ab. Als der chancenlose Abgeordnete Tim Ryan Sanders Wissenslücken im molochhaften Gesundheitswesen attestierte, giftete dieser zurück, dass er natürlich umfassend im Bilde sei: „Ich habe den verdammten Gesetzesentwurf geschrieben.“

Der Dominanz von Sanders und Warren konnte von den ernster zu nehmenden Mitbewerbern allein Youngster Pete Buttigieg (37) ab und an etwas entgegensetzen. Der Rest wird aufgrund verschärfter Kriterien bei der nächsten TV-Debatte im September wohl nicht mehr vorkommen. Dann kommt es wahrscheinlich zum ersten direkten Aufeinandertreffen von Sanders und Warren mit dem klar in Führung liegenden Kandidaten: Joe Biden.

Obamas ehemaliger Vizepräsident gilt als das Gegenmodell; mittig, mit gemäßigten Republikanern kompatibel und auch Wählern vermittelbar, die Trumps Politik-Inhalte schätzen, aber deren Verpackung abstoßend finden.

Sollte Biden am Mittwoch bei der zweiten TV-Runde mit weiteren zehn Kandidaten/-innen nicht erneut von der ehrgeizigen Westküsten-Senatorin Kamala Harris durch den Fleischwolf gedreht worden sein, wird Biden spätestens dann penibel testen, wie belastbar das ideologische Band zwischen Warren und Sanders tatsächlich ist.

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