Drama um Istanbul: Erdogan-Partei beeinsprucht Wahlergebnis

Erdogans AKP sieht angesichts der Niederlage zahlreiche Unregelmäßigkeiten und fordert eine Überprüfung von Stimmzetteln.

Angesichts ihrer erwarteten Niederlage bei den Kommunalwahlen in Istanbul hat die Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan Einspruch gegen die Ergebnisse eingelegt. Der AKP-Vorsitzende in Istanbul, Bayram Senocak, sagte am Dienstag vor der Presse, seine Partei habe bei der Wahlkommission Einspruch in allen 39 Bezirken der Metropole eingelegt.

Als Begründung nannte er, dass es zahlreiche Unregelmäßigkeiten und Fälschungen gegeben haben soll. Die Regierungspartei versucht damit, ein äußerst knappes Wahlergebnis in der größten Stadt des Landes in letzter Minute noch umzudrehen.

Nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen hatte der AKP-Kandidat Binali Yildirim in Istanbul am späten Sonntagabend den Sieg für sich reklamiert. Am Montagvormittag erklärte jedoch der Leiter der Wahlkommission, dass der CHP-Kandidat Ekrem Imamoglu gemäß den vorläufigen Ergebnissen mit 25.000 Stimmen in Führung liege. Yildirim gestand später den Vorsprung seines Rivalen ein, verwies aber darauf, dass die Überprüfung noch nicht abgeschlossen sei.

Einspruch vor Fristende

Die Parteien hatten bis Dienstagnachmittag Zeit, um bei der Wahlkommission Einspruch gegen die Ergebnisse einzulegen. Auch in der Hauptstadt Ankara wollte die AKP Medienberichten zufolge Beschwerde einlegen, nachdem auch dort die Opposition klar in Führung lag.

Laut Senocak stößt sich die AKP vor allem an den laut der Deutschen Presse-Agentur rund 320.000 während der Auszählung für ungültig erklärten Stimmen. Informationen der Nachrichtenagentur AFP beläuft sich deren Zahl in Istanbul auf 290.000 Stimmen. Der Bürgermeisterkandidat der islamisch-konservativen AKP und der derzeit führende Kandidat der Mitte-Links-Oppositionspartei CHP liegen offiziellen Angaben zufolge nur rund 24.000 Stimmen auseinander.

Der regierungsnahe Sender CNN Türk meldete am Dienstag, die Wahlbehörde werde die endgültigen Ergebnisse erst in zehn Tagen verkünden. Imamoglu forderte, dass die Beschwerden innerhalb einer Woche abgearbeitet sein müssten: "Wenn es länger dauert, fängt die Sache an zu stinken", warnte er.

Schwerer Schlag für AKP

Der Verlust von Ankara und Istanbul wäre für die AKP ein harter Schlag, nachdem sie und ihre Vorgängerpartei deren Rathäuser seit 25 Jahren gehalten hatten. Die erwartete Niederlage in den beiden größten Städten der Türkei gilt auch als persönlicher Denkzettel für Erdogan, nachdem er den kompletten Wahlkampf dominiert und somit die Abstimmung in den Kommunen zu einer Art Referendum über seine eigene Politik gemacht hatte. Er war selbst einmal Bürgermeister in Istanbul und stammt aus dem armen Arbeiterviertel Kasimpasa.

Am Sonntag hatten Millionen Menschen in 81 Provinzen ihre Bürgermeister, Provinzräte und andere lokale Amtsinhaber bestimmt. Die AKP ging insgesamt als stärkste Partei aus der Wahl hervor, hatte aber vor allem in großen Städten massiv an Zuspruch verloren.

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