Wieder wurde eine Corona-Variante erstmals in Südafrika nachgewiesen, wieder wird mit dem Finger auf den im westlichen Verständnis weniger entwickelten Teil der Welt gezeigt. Die Schuld für die Mutante wird häufig in der zu niedrigen Impfrate gesucht: Erst 24,1 Prozent der Südafrikaner gelten als geimpft – deutlich mehr als in den meisten afrikanischen Ländern.
Der britische Ex-Premierminister Gordon Brown wies im Guardian auf die Mitschuld des Westens hin und sprach von einem "Versagen der reichsten Staaten": Zuerst wurde die eigene Bevölkerung mit Impfstoffen versorgt, dann die "ärmeren Länder".
Südafrika an vorderster Front
Seit dem Ausbruch von Omikrom machen immer mehr Wissenschafter darauf aufmerksam, dass Südafrika eine der fortschrittlichsten Infektionsforschungen weltweit betreibe. Einige der anerkanntesten Epidemiologen arbeiteten am Kap, betonte etwa der südafrikanische Zukunftsforscher Graeme Codrington auf Twitter. Grund dafür sei vor allem die dortige Forschung zu HIV und Tuberkulose.
"Daher ist es nicht verwunderlich, dass wir als Erste die neuen Varianten entdecken. Was aber noch Lange nicht heißt, dass sie auch hier entstanden sind", kritisiert Codrington.
Ähnlich formuliert das auch der deutsche Virologe Christian Drosten: Der geografische Ursprung von Omikron muss nicht in Südafrika liegen: "Angrenzende Länder, die starke Reiseverbindungen mit Südafrika unterhalten, haben eine geringer ausgeprägte Virusüberwachung als Südafrika."
Die mediale Panikmacke würde zu einer Stigmatisierung Afrikas beitragen und das "weniger entwickelte Bild des Kontinents" fortführen, kritisiert etwa Tulio de Oliveira, Direktor des Centre for Epidemic Response and Innovation. Das ist auch der Grund, warum WHO neue Virus-Varianten nicht mehr nach Ländern, sondern nach griechischen Buchstaben benennt: So will man jegliche Diskriminierung vermeiden.
Die europäische Panik vor Omikron hat Südafrika bis dato übrigens noch nicht erreicht: Die Angst vor den Maßnahmen ist größer als die Angst vor der Mutation.
Panische Existenzbedrohung
Wieder bricht der Tourismus ein, und damit die Existenzgrundlage eines großen Teils der Bevölkerung. Das berichtet auch der österreichische Arzt Johannes Seidel, der zeitweise in Kapstadt lebt, dem KURIER: „Die Südafrikaner kritisieren, dass immer sie als Sündenböcke dargestellt und jetzt wieder touristisch vom Rest der Welt isoliert werden. Das Land und speziell Kapstadt lebt vom Tourismus, das ist jetzt am Saisonbeginn natürlich eine Katastrophe.“
Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa hat für Sonntag ein Treffen des nationalen Coronavirus-Rats einberufen.
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