"Ära der Risiken": 100 Millionen Flüchtlinge - und es wird noch schlimmer werden

"Ära der Risiken": 100 Millionen Flüchtlinge - und es wird noch schlimmer werden
Noch nie gab es so viele Vertriebene, noch nie so viele bewaffnete Konflikte auf der Welt. Und auch die Aussichten sind düster: Die Kombination aus Krieg und Klimakrise sei fatal, so Experten.

Die Zahl ist erschreckend: 100 Millionen Menschen, so viele wie in ganz Ägypten leben, sind weltweit auf der Flucht. Dieser Negativrekord hat seinen Grund nicht nur im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, der die Zahl um 14 Millionen nach oben schraubte. Die Zahl der bewaffneten Konflikte ist schon im vergangenen Jahr auf einen Höchststand geklettert. 56 Kriege werden weltweit geführt, das sind fast doppelt so viele wie noch 2010.

"Die menschliche Gesellschaft mag reicher sein als früher, aber sie ist deutlich unsicherer", stellen die Forscher des renommierten Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI in einem neuen Bericht dazu fest. Warum das so ist? Die 30 Autoren sehen den "toxischen Mix" aus menschengemachten Sicherheitsrisiken – Kriegen und Konflikten – und der Klimakrise als Hauptgrund.

Gut sichtbar wird das etwa in Somalia. Dort sorgt die schlimmste Dürre seit 40 Jahren in Kombination mit einer korrupten Regierung für eine massive Hungerkrise. Der Krieg in der Ukraine verschärft die Lage noch zusätzlich: Das Land ist zu 90 Prozent von ukrainischem Weizen abhängig, die Ernte dort fällt aber heuer wegen der russischen Invasion so gut wie aus. Das hat die Inflation auf zehn Prozent hochschnellen lassen, zur Freude der militanten Al-Shabaab-Miliz: Sie versucht schon länger, in Mogadischu an die Macht zu kommen – jetzt suchen mehr und mehr Menschen ihr Heil bei den Islamisten.

Eine Ära der Krisen und wie man sie verhindert

Dieser Teufelskreis aus Korruption, Kriegen und Klimakrise werde durch politisches Nichtstun noch verschlimmert, warnen die SIPRI-Autoren. "Es scheint, als könnten die meisten Regierungen nur eine Krise gleichzeitig bewältigen. Das ist ein enormer Komplikationsfaktor", sagt SIPRI-Direktor Dan Smith. Beobachten konnte man das während der Coronapandemie, als die globalen Lieferketten zusammengebrochen sind – das Problem habe man kurzfristig gelöst, langfristige Lösungen seien keine gefunden worden.

Smith und seine Kollegen sprechen darum von einem "neuen Zeitalter der Risiken", auf das die politischen Entscheidungsträger nicht vorbereitet seien – oder sich nicht vorbereiten wollen.

"Ära der Risiken": 100 Millionen Flüchtlinge - und es wird noch schlimmer werden

"Giftig und gefährlich"

Ein Grund für den politischen Unwillen seien die verhärteten Fronten zwischen den großen Mächten. Das Klima zwischen den USA, Russland und China sei "giftig und gefährlich", das führe nicht nur zu mehr Populismus und Nationalismus, sondern auch zu einem erneuten Wettrüsten. Seit dem Jahr 2010 haben sich die globalen Militärausgaben auf derzeit 2,1 Billionen Dollar verdoppelt – und seit 2020 steigt die Zahl der Nuklearsprengköpfe erstmals seit dem Kalten Krieg wieder.

Das habe den wirklich fatalen Effekt, dass der dringend nötige globaler Schulterschluss gegen den Klimawandel in weiter Ferne liege, sagt Smith. "Dieser extrem wichtige Moment fällt in eine Zeit fällt, in der die internationale Politik in einem furchtbaren Zustand ist."

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